(Quelle: Kauer/DJV)

Funktioniert das?

2. April 2013 (Berlin)
Blaue Reflektoren gegen Wildunfälle / DJV bleibt kritisch

An vielen Straßen leuchten sie bereits: auffällig blaue Reflektoren an den Leitpfosten. Sie sollen Rehe, Wildschweine oder Hirsche so abschrecken, dass sie nicht unvermittelt auf die Straße laufen. Bei einem Wildunfall kann ein 20-Kilo-Reh zum Geschoss von rund einer halben Tonne Gewicht werden, falls der Autofahrer es mit 100 Stundenkilometern erwischt. Wissenschaftlich bewiesen ist zwar, dass die Farbe Blau eine besonders erschreckende Wirkung auf Wildtiere hat. Aber wie effektiv sind die blauen Reflektoren? Können sie auf Dauer helfen, die Zahl der Wildunfälle zu reduzieren?

Der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) sieht die Reflektoren bislang eher kritisch. Zwar gebe es Berichte, wonach Wildunfälle nach der Montage der blauen Leuchten weniger geworden seien. “Dies ist bislang nicht wissenschaftlich verifizierbar”, sagt DJV-Sprecher Torsten Reinwald in Berlin. Der Effekt könnte auch auftreten, weil Autofahrer durch die blaue Farbe sensibilisiert seien.

In einem eigenen Projekt testet der Landesjagdverband (LJV) Rheinland-Pfalz derzeit die Halbkreisreflektoren auf einer Strecke von rund sechs Kilometern. Die Federführung liegt beim neuen LJV-Lehrrevier “Weinsheim”, das im April offiziell seine Arbeit aufnimmt.

Unter anderem zwischen dem rheinhessischen Waldböckelheim und Hüffelsheim hat Revierjäger Robert Ackermann die neuen Reflektoren montiert. «Wir kennen die markanten Wechsel», erklärt er. An solchen Stellen läuft Wild besonders häufig über die Straße – und es kracht auch öfters. Im Testgebiet seien von der Polizei rund zehn Wildunfälle im Jahr registriert worden, dazu kommt die Dunkelziffer. Zumindest in den zweieinhalb Monaten, seitdem die Reflektoren hängen, sei noch nichts passiert, sagt Ackermann.

Ob im Wald oder auf freiem Feld: Wild kann fast überall plötzlich vor dem Auto oder im Scheinwerferlicht auftauchen. Dass ausgewachsene Wildschweine wegen ihres höheren Gewichts gefährlicher sind als Rehe, stimmt nach den Worten von Ackermann nicht. “Denn Rehe springen eventuell so hoch, dass sie durch die Windschutzscheibe brechen.”

Für Rheinland-Pfalz liegt die Zahl der Wildunfälle laut DJV für das Jagdjahr 2011/2012 bei rund 11 300. Bundesweit zählte der Verband rund 194 400 Crashs. Die Daten werden anhand des Fallwildes ermittelt – also über die Zahl toter Tiere, die nicht geschossen wurden. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre bedeutet dies zwar einen deutlichen Rückgang. Entwarnung mag der DJV dennoch nicht geben.

Nach dem außergewöhnlich langen Winter habe das Wild Heißhunger und könnte bei der Futtersuche unvorsichtig sein. Die Umstellung auf die Sommerzeit birgt ebenfalls Gefahren, da die aktivste Phase der Wildtiere in der Dämmerung nun wieder in den morgendlichen Berufsverkehr fällt. Insgesamt hat sich der Straßenverkehr laut DJV seit 1975 vervierfacht – die Zahl der Wildunfälle jedoch verfünffacht.

Die Ursachen sind nach den Worten von Jäger Ackermann vielfältig: Es gibt nicht nur mehr Autos, sondern die Fahrer sind auch schneller unterwegs. In einigen Regionen könnte möglicherweise auch der Wildbestand gestiegen sein, oder Tiere werden von freilaufenden Hunden aufgescheucht. Neben den blauen Reflektoren sollen im Lehrrevier andere Möglichkeiten getestet werden, um das Wild vom Asphalt fernzuhalten. “Beispielsweise wollen wir Äsungsflächen abseits der Straßen anlegen. Dort hat das Wild seine Ruhe zur Nahrungsaufnahme, es wird nicht gestört”, erklärt Ackermann.

Im Institut für Wildbiologie Göttingen und Dresden untersuchen Forscher derzeit über mehrere Jahre die Wirkung der Reflektoren an rund 25 Strecken in Schleswig-Holstein. Es gebe zwar positive Rückmeldungen, sagt Geschäftsführer Marcus Meißner. Für eine Bilanz sei es aber noch zu früh. Die Testergebnisse seien bislang regional sehr unterschiedlich. Die Wissenschaftler interessieren sich unter anderem dafür, ob sich beim Wild ein Gewöhnungseffekt einstellt. Für die Studie wird zudem erfasst, wie viele Autos wie schnell vorbeifahren. Wichtig ist auch die Landschaft neben den Straßen – etwa, wie viel Futter dort wächst.