(Quelle: Kauer/DJV)

Zwerggans (Anser erythropus)

Die Zwerggans ist eine der seltensten grauen Feldgansarten in Europa. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts gehen ihre Bestände zurück, Ursache ist einerseits Lebensraumverlust in den Brutgebieten, andererseits hoher Jagddruck in den Zug- und Überwinterungsarealen. In den 1980er und 1990er Jahren wurden in Schweden und Finnland aufwendige Projekte zur Stützung bzw. Wiederetablierung der Brutbestände durchgeführt.

Zwerggans
Zwerggans (Quelle: Wenner/DJV)

Kennzeichen

Die Zwerggans ist die kleinste graubraun gefärbte Gans der Feldgansgruppe. In der Größe gibt es geringfügige Überschneidungen mit der Blässgans, mit der sie auch am ehesten verwechselt werden kann. Die Gefiederfärbung ist oberseits dunkel- bis mittelbraun, mit hellen Säumen an den Deck- und Schwungfedern. Im Flug wirken die Oberseiten der Flügel und des Rückens heller braungrau. Der Schwanz zeigt im Flugbild eine braune Endbinde. Die Bauchseite ist hellbraun, mit schmalen schwarzen Flecken am Unterbauch, die bei Vögeln im Jugendkleid noch fehlen. Der Hals ist relativ kurz und wie der Kopf braun gefärbt. Der Schnabel ist kurz, eher zierlich und einheitlich rosa gefärbt.  Die Zwerggans zeigt wie die Blässgans ein weißes Stirnfeld – dieses reicht bei der Zwerggans von der Seite gesehen bis schräg über/hinter das Auge.  Auffällig ist der zitronengelbe Lidring um das Auge, der auch schon bei Jungvögeln erkennbar ist (dort noch schmal). Die Beine sind orangerot gefärbt. Beim stehenden Vogel überragen die Flügelspitzen den Schwanz.

Größe: 56-66 cm, Gewicht: 1,9 bis 2,5 kg

 

Verbreitung und Stellung im zoologischen System

Die Zwerggans brütet in eurasischen, arktischen Gebieten von Nordskandinavien bis Ostsibirien. Ihre Brutbestände sind seit vielen Jahrzehnten rückläufig, in Nordosteuropa (Schweden, Finnland, Russland) werden nur noch einige hundert Brutpaare gezählt. Die skandinavisch-westrussische Brutpopulation benutzte traditionell Südosteuropa als Überwinterungsgebiet (Griechenland, Schwarzes Meer). Die Verluste durch Bejagung stiegen dort an, so dass in den Schutzprojekten Skandinaviens Zwergganseier durch Weißwangengänse ausgebrütet wurden und die Jungvögel mit einem Ultraleichtflugzeug an den Niederrhein geführt und auf ein neues Überwinterungsgebiet geprägt wurden.

Die Zwerggans gehört zur großen Ordnung der Entenvögel (Anseriformes) und darin zur Familie der Entenverwandten (Anatidae), Unterfamilie Schwäne und echte Gänse (Anserinae) und bildet darin mit anderen Feldgänsen die Gattung Anser. Der weltweite Bestand liegt bei knapp 25.000 Tieren.

Vorkommen der Zwerggans in Deutschland

In Deutschland gibt es keine Bruten dieser Art. Die Zwerggans ist ein sehr seltener Durchzügler oder Wintergast (Herbst und Frühling) in Deutschland (10 bis 30 Individuen) und wird meist nur schwer in großen Trupps anderer grauer Feldgänse bemerkt. Seit der Verlagerung der Überwinterungsgebiete nach Westeuropa ist es möglich Zwerggänse evtl. auch am Niederrhein zu beobachten.

Lebensraum

Im arktischen, Brutareal der Weide- und Birkenzone werden Sümpfe und Moore besiedelt, karge und niedrige Vegetation wird bevorzugt. Die in Mitteleuropa durchziehenden und überwinternden Tiere nutzen hauptsächlich Grünland zur Nahrungsaufnahme.

Nahrung

Als erwachsener Vogel ernährt sich die Zwerggans vegetarisch – kurze Gräser, Kräuter und Blätter bzw. Triebe der Kriechweide. Die frisch geschlüpften Gössel werden in stehende Gewässer geführt, wo sie selbständig kleine Insekten aus dem Wasser sammeln. Weidet an Land wie andere Gänse, während des Zuges und im Überwinterungsgebiet gerne mit Bläss-, und Tundrasaatgänsen vergesellschaftet.

Sinnesleistung und Lautäußerung

Die Zwerggans hat, wie die meisten Gänse, ein sehr gutes Seh- und Hörvermögen. In den Überwinterungs- und Rastgruppen haben immer einige Tiere „Augen und Ohren“ offen, um eine eventuelle Feindannäherung rechtzeitig zu melden. Als Bodenbrüter benötigen sie diese Wachsamkeit ebenfalls und verteidigen ihre Brut sehr engagiert. Sie ruft gerne und häufig – ähnlich der Blässgans, aber schriller und höher. Die Trupps fliegen in klassischer V-Formation.

Fortpflanzung

Zwerggänse sind ihrem Brutplatz und ihrem Partner sehr treu. Der Ganter wacht über seine Gans. Es werden durchschnittlich 4-6 Eier gelegt und etwa 4 Wochen bebrütet, die Spanne kann aber von 2 bis 8 Eiern pro Gelege reichen, eine Jahresbrut von Ende April bis Juli. Alte Nestmulden aus Zweigen und Grasstängeln werden weiter genutzt und vor allem vom Weibchen ausgebessert und mit Daunen ausgekleidet. Der Familienverband bleibt oft noch bis ins Überwinterungsgebiet zusammen, manchmal sogar bis zur nächsten Brutsaison.

Gefahren

Besonders auf den Zugwegen und in ihren bisherigen Winterquartieren Südosteuropas wurden die Zwerggansbestände durch übermäßige Jagd (vor allem durch Verwechslung mit anderen grauen Feldgänsen) stark reduziert. Schutzprojekte und Jagdverbote in Nord- und Westeuropa sollen die kleinen Brutpopulationen im neuen Überwinterungsgebiet stabilisieren.
Die Zwerggans gilt gefährdet bis stark bedroht - inwieweit der Klimawandel in den arktischen Brutgebieten der Gänse zu einer Lebensraumveränderung führt (z.B. höhere Vegetation und schlechtere Sichtbarkeit von Feinden) und sich auf die Brutpopulationen auswirken könnte, ist derzeit unklar.
Gänse sind sehr wehrhaft, erwachsene Vögel haben Seeadler und Füchse als Hauptfeinde, die noch flugunfähigen Jungtiere (Gössel) können von allen im Brutgebiet vorkommenden Raubtieren und aktiv jagenden Vögeln (z.B. Eulen, Greifvögel, Möwen, Raubmöwen) erbeutet werden. Die Gänseeltern verteidigen ihre Brut aber sehr energisch.

Zwerggans im Bundesjagdgesetz

Keine Jagdzeit

 

Quellen

  • Barthel, P. H. & T. Krüger (2018): Artenliste der Vögel Deutschlands. Vogelwarte 56: 171–203.
  • Barthel, P.H.; Barthel, C.; Bezzel, E.; Eckhoff ,P.; van den Elzen, R.; Hinkelmann, C,; Steinheimer, F.D. (2020): Deutsche Namen der Vögel der Erde. Vogelwarte 58, 2020: 1 – 214
  • Cramp, S. et al. (1977): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa. Vol. I Ostrich to Ducks. Oxford University Press.
  • Dachverband Deutscher Avifaunisten (2022): Bestandsentwicklung, Verbreitung und jahreszeitliches Auftreten von Brut- und Rastvögeln in Deutschland. Dachverband Deutscher Avifaunisten, www.dda-web.de/vid., aufgerufen am 21.11.2022.
  • Gerlach, B.; Dröschmeister, R.; Langgemach, T.; Borkenhagen, K.; Busch, M.; Hauswirth, M.;  Heinicke, T.; Kamp, J.; Karthäuser, J.; König, C.;  Markones, N.; Prior, N.; Trautmann,S.; Wahl, J.; Sudfeldt; C. (2019): Vögel in Deutschland — Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
  • Svensson, L.; Mullarney, K.; Zetterström, D. (2011): Der Kosmos Vogelführer. 2.Auflage, Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart
  • www.dda-web.de/voegel/voegel-in-deutschland/Zwerggans