(Quelle: Kauer/DJV)

Saatgans (Anser fabalis)

Der Name „Saatgans“ leitet sich vom bevorzugten Auftreten dieses Durchzüglers und Wintergastes auf landwirtschaftlichen Kulturen in Mitteleuropa her. In Deutschland rasten und überwintern Saatgänse nur, ihre nicht einfach zu bestimmenden Formen „Waldsaatgans (Anser fabalis fabalis) und Tundrasaatgans (Anser fabalis rossicus – nur diese beiden Formen treten in Deutschland als Rastvögel auf)“ erschweren die genaue Zählung auf Unterartniveau. Es wird diskutiert, die Art taxonomisch zu trennen, da die beiden bisherigen Unterarten deutliche Unterschiede in ihrer Verbreitung, ihrem Lebensraum und vor allem in ihrer Populationsgröße aufweisen (siehe auch Kruckenberg et al. 2011). Im Folgenden werden die beiden Unterarten als Tundrasaatgans bzw. Waldsaatgans bezeichnet.

Tundrasaatgans
Tundrasaatgans (Quelle: Wenner/DJV)

Kennzeichen – die beiden Formen der Saatgans weisen Unterschiede auf

Die Saatgans gehört zur Gruppe der braun gefärbten Feldgänse. Die Tundrasaatgans ist im Vergleich zur Waldsaatgans kleiner und gedrungener. Die Gefiederfärbung beider Saatgans-Formen ist oberseits dunkler braun, mit hellen Säumen an den Deck- und Schwungfedern. Im Flug wirken die Oberseiten der Flügel heller. Die Bauchseite ist hellbraun und weist keine schwarze Querbänderung auf. Der Hals ist kurz und hellbraun (bei der Waldsaatgans etwas länger und schlanker), der Kopf dunkelbraun gefärbt. Der Schnabel von Anser f. rossicus ist relativ kurz, mit hoher Basis und überwiegend dunkel gefärbt mit nur schmaler orangefarbener Binde im vorderen Schnabeldrittel. Die Beine sind deutlich orange gefärbt. Der Schnabel von Anser f. fabalis ist länger als bei Anser f. rossicus, mit niedrigerer Basis, überwiegend dunkel gefärbt und mit breiterer orangefarbener Binde in der vorderen Schnabelhälfte. Bei Jungtieren kann der gesamte Schnabel orangerötlich sein und einen schmalen weißen Federrand aufweisen. Die Beine sind orange gefärbt.

Das Flugbild der Saatgans ist meist klassisch V-förmig.

Größe: 66 – (84) -90 cm, Gewicht: 2,7 bis 4,1 kg (Waldsaatgans etwas größer und schwerer als Tundrasaatgans, aber genaue Daten bisher nicht bekannt).

 

Verbreitung und Stellung im zoologischen System

Die Saatgans gehört zur großen Ordnung der Entenvögel (Anseriformes) und darin zur Familie der Entenverwandten (Anatidae), Unterfamilie Schwäne und echte Gänse (Anserinae) und bildet darin mit anderen Feldgänsen die Gattung Anser. Die Tundrasaatgans (Anser f. rossicus) kommt noch in großen Beständen vor (600 – 800.000 Tiere insgesamt) und brütet vor allem in paläarktischen Gebieten Mittel- und Ostsibiriens, sie nutzt dort die baumlose Tundra als Brutgebiet.

Die Waldsaatgans (Anser f. fabalis) brütet vor allem in der Taiga der paläarktischen Gebiete zwischen Skandinavien und Westsibirien in zwei voneinander getrennten Brutarealen, sie nutzt aufgelockerte Wälder als Brutgebiet. Dort brütet sie am Boden in Mooren und in Sumpf- oder Schilfflächen.

Der Waldsaatgansbestand nimmt seit längerer Zeit stark ab, die Zahlen der Rastpopulationen belaufen sich aktuell nur noch auf etwa 12.000 Tiere. Sie wird als stark gefährdet eingestuft.

Vorkommen der Saatgans in Deutschland

In Deutschland gibt es keine Bruten dieser Art mehr. Saatgänse beider Unterarten sind vor allem an den Nord- und Ostseeküsten Mitteleuropas Zugvögel und Wintergäste – besonders Tundrasaatgänse rasten in größerer Zahl aber auch im Binnenland bis Süddeutschland – (von Oktober bis März), mit steigender Tendenz.

Die Waldsaatgans ist ein Kurzstreckenzieher, der von September bis März in Mitteleuropa zu beobachten ist – allerdings nur noch in kleinen Beständen (max. 11.500 Tiere). So rasten und überwintern die meisten Waldsaatgänse im westlichen Ostseeraum bis Polen. In den letzten Jahren hat sich im Unteren Odertal ein kleiner Rastbestand von 1.500 Waldsaatgänsen etabliert, der in einem Forschungsprojekt überwacht wird. Zur Übernachtung werden größere Gewässer aufgesucht, die Entfernung zu den täglichen Äsungsflächen auf landwirtschaftlichen Kulturen kann relativ weit sein.

Lebensraum

Im arktischen, baumlosen Brutareal Nordsibiriens werden von der Tundrasaatgans kurzrasige Flächen mit guter Rundumsicht besiedelt. Die in Mitteleuropa durchziehenden und überwinternden Populationen nutzen Grünland und kurzrasige landwirtschaftliche Nutzflächen zur Nahrungsaufnahme.

Waldsaatgänse brüten in den arktischen Wäldern Skandinaviens und Sibiriens (Taigazone) in feuchten Flächen (Schilf- und Sumpfinseln, Moore). Die in Mitteleuropa durchziehenden und überwinternden Populationen nutzen Grünland und kurzrasige landwirtschaftliche Kulturen zur Nahrungsaufnahme. Aber auch Erntereste wie Mais oder Zuckerrüben werden gefressen, ebenso wie Getreidekörner, Wurzeln oder Kartoffeln.

Nahrung

Als erwachsener Vogel ernährt sich die Tundrasaatgans überwiegend vegetarisch – vor allem Gräser, die Gössel werden nach dem Schlupf in stehende Gewässer geführt, wo sie selbständig kleine Insekten aus dem Wasser sammeln. Weidet an Land wie andere Gänse, während des Zuges und im Überwinterungsgebiet können auf landwirtschaftlichen Kulturen Schäden durch große Gänseansammlungen entstehen. Dann kann die Jagdzeit ausgeweitet werden („Schadensabwehr“ – siehe Bundesländerregelungen).

Sinnesleistung und Lautäußerung

Die Saatgans hat, wie die meisten Gänse, ein sehr gutes Seh- und Hörvermögen. In den Überwinterungs- und Rastgruppen haben immer einige Tiere „Augen und Ohren“ offen, um eine eventuelle Feindannäherung rechtzeitig zu melden. Als Bodenbrüter benötigen sie diese Wachsamkeit ebenfalls und verteidigen ihre Brut sehr engagiert.

Nicht sehr ruffreudig während des Fluges, ein etwas nasales ang-ang oder auch ein eher tiefes tjoött-tjoött.

Rufton Tundrasaatgans

Fortpflanzung

Es werden durchschnittlich 4-6 Eier gelegt und etwa 4 Wochen bebrütet, die Spanne kann aber von 3 bis 8 Eiern pro Gelege reichen, eine Jahresbrut von Mai bis Juli. Alte Nestanlagen werden weiter genutzt und vor allem vom Weibchen ausgebessert, das Männchen trägt auch Nistmaterial zu. Das Nest wird aus Grashalmen und Kräuterstängeln gebaut und mit Daunen ausgekleidet. Nestanlage in der Regel nicht weiter als einen Kilometer von Gewässern entfernt.

Gefahren

Gänse sind sehr wehrhaft, erwachsene Vögel haben Seeadler und Füchse als Hauptfeinde, die noch flugunfähigen Jungtiere (Gössel) können von allen im Brutgebiet vorkommenden Raubtieren und aktiv jagenden Vögeln (z.B. Eulen, Greifvögel, Möwen, Raubmöwen) erbeutet werden. Die Gänseeltern verteidigen ihre Brut aber sehr energisch. Inwieweit der Klimawandel in den arktischen Brutgebieten der Gänse zu einer Lebensraumveränderung führt (z.B. höhere Vegetation und schlechtere Sichtbarkeit von Feinden) und sich auf die Brutpopulationen auswirkt, ist derzeit unklar.

Saatgänse im Bundesjagdgesetz

In der derzeit gültigen Fassung der Jagdzeitenverordnung (JagdzeitV 1977, geänderte Fassung vom 7.März 2018) wird für die Saatgans eine Jagdzeit vom 1. November bis 15. Januar angegeben, die Trennung der Saatgans in zwei Arten (Waldsaatgans und Tundrasaatgans) und ein ggf. anderer Status ist dort bisher nicht erklärt.

Brandenburg hat die Jagd auf Saatgänse beider Arten seit dem Winter 2019/20 ausgesetzt, da beide Arten sehr leicht verwechselt werden können.

 

Quellen

  • Barthel, P. H. & T. Krüger (2018): Artenliste der Vögel Deutschlands. Vogelwarte 56: 171–203.
  • Barthel, P.H.; Barthel, C.; Bezzel, E.; Eckhoff ,P.; van den Elzen, R.; Hinkelmann, C,; Steinheimer, F.D. (2020): Deutsche Namen der Vögel der Erde. Vogelwarte 58, 2020: 1 – 214
  • Cramp, S. et al. (1977): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa. Vol. I Ostrich to Ducks. Oxford University Press.
  • Dachverband Deutscher Avifaunisten (2022): Bestandsentwicklung, Verbreitung und jahreszeitliches Auftreten von Brut- und Rastvögeln in Deutschland. Dachverband Deutscher Avifaunisten, www.dda-web.de/vid., aufgerufen am 08.11.2022.
  • Gerlach, B.; Dröschmeister, R.; Langgemach, T.; Borkenhagen, K.; Busch, M.; Hauswirth, M.;  Heinicke, T.; Kamp, J.; Karthäuser, J.; König, C.;  Markones, N.; Prior, N.; Trautmann, S.; Wahl, J.; Sudfeldt; C. (2019): Vögel in Deutschland — Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
  • Kruckenberg, H.; Mooij, J.H.; Südbeck, P.; Heinicke, T. (2011): Die internationale Verantwortung Deutschlands für den Schutz arktischer und nordischer Wildgänse Teil 1: Verbreitung der Arten in Deutschland Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (11), 2011, 334-342
  • Svensson, L.; Mullarney, K.; Zetterström, D. (2011): Der Kosmos Vogelführer. 2.Auflage, Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart