(Quelle: Kauer/DJV)

Buchkritik: "Umweltschützer fühlen sich moralisch im Recht"

3. Mai 2012 (djv) Berlin

Das Buch „Ökofimmel“ geht hart ins Gericht mit der grünen Politik

Die Energiesparbirne als gefährlicher Sondermüll, Joghurtbecher aus dem gelben Sack, die in der Müllverbrennungsanlage „thermisch recycelt“ werden, oder Regenwaldrodung und Maiswüste für Biosprit: Der Spiegel-Autor Alexander Neubacher legt in seinem Buch offen, was der Ökofimmel in Deutschland – dem Land, das dem Begriff „le Waldsterben“ zu internationaler Bekanntheit verhalf – bringt: wenig Sinnvolles. Der DJV hat das Buch gelesen und meint: Unbedingt empfehlenswert!

Die deutsche Umweltpolitik gefährdet die Umwelt

„Die deutsche Umweltpolitik gefährdet unseren Wohlstand und schadet dabei auch noch der Umwelt“, resümiert Autor Neubacher. Beispiel Biosprit: Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte und förderte als Bundesumweltminister „Flower-Power“, auch seine Parteikollegin Bärbel Höhn in Nordrhein-Westfalen. Heute wollen weder Grüne noch Umweltverbände etwas davon wissen. Inzwischen hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen negativ in seiner Umweltbilanz ist. Demnach müsste in Europa die doppelte Größe Belgiens als Ackerland kultiviert werden, um den politisch gewollten Biospritbedarf zu decken. 56 Millionen Tonnen zusätzliches Kohlendioxid würden freigesetzt.

Werden Energiepflanzen für Strom oder Biogas angebaut, winken dank Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland bis zu 3.000 Euro Umsatz pro Hektar, so Neubacher. Das ist deutlich mehr als bei der Lebensmittelproduktion und lockt Energieunternehmen. Ökologisch wertvolle Brachflächen verschwinden zusehends und Maiswüsten bieten immer weniger Arten Platz. Nur Wildschweine profitieren merklich. International gesehen haben große Energiekonzerne 2009 mehr als 56 Millionen Hektar Land aufgekauft, oftmals in Afrika oder Asien. Eine Folge: Borneo ist zu einem der wichtigsten Palmöl-Produzenten aufgestiegen und rodet seine Regenwälder für die Biosprit-Produktion.

Droht die Öko-Diktatur mit staatlich verordnetem Fleischverzicht?

Hart geht Neubacher mit der Umweltlobby in Deutschland ins Gericht: „Trittins Dosenpfand hat die Mehrwegflasche gekillt. Sein angeblicher Biosprit macht die Landschaft kaputt. Milliardenbeträge sind in die Förderung der Photovoltaik geflossen, eine besonders ineffiziente Technik (…)“. Obwohl der Wirkungsgrad schlecht ist, fließen für die Ankurbelung des Absatzes bestehender Photovoltaik-Technologie jährlich acht Milliarden Euro Subventionen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz – 55 Prozent des Gesamtetats. Das Bundesforschungsministerium hingegen hat nur 12,9 Milliarden Euro pro Jahr für Bildung und Forschung zur Verfügung, um Innovationen voranzutreiben.

Neubacher spricht in „Ökofimmel“ von einer drohenden Ökodiktatur und kritisiert den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderung (WBGU), der jüngst einen Gesellschaftsvertrag für eine „Große Transformation“ forderte. Eine ethische Elite soll diese begleiten und ein Veto-Recht bei politischen Entscheidungen haben. Nach Plänen des Regierungsbeirates könnte für Städter der Erwerb einer ÖPNV-Jahreskarte verpflichtend werden, ebenso wie „die fleischreduzierte Kost mit hohen Anteilen an frischen, regionalen und saisonalen Produkten möglichst aus Bioproduktion“. Freiheit könne auch in der Selbstbeschränkung liegen, so ein WBGU-Mitglied.

Wissen Ökoaktivisten wirklich, was zu tun ist?

Neubachers Fazit: „Umweltpolitiker, Umweltschutzfunktionäre und Ökoaktivisten wissen überraschend genau, was wir zu tun (…) haben (…). Das hat viel damit zu tun, dass sie sich moralisch im Recht fühlen. (…). Wer im Bioladen einkauft, sich vegetarisch ernährt oder ein Elektroauto fährt, kann das gerne tun. Daraus die Berechtigung abzuleiten, man dürfe anderen Leuten eine Lektion in ökologisch korrekter Lebensführung erteilen, ist aber nicht angebracht. Die Dinge sind komplizierter, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Ein Importapfel aus Neuseeland hat unter Umständen eine bessere Ökobilanz als ein Bioapfel aus der Region.“ Ganz sicher dann, wenn der heimische Apfel bis zum Frühling des Folgejahres im Kühlhaus gelagert wurde.

Auf 250 Seiten bietet der Autor mehr als einen Denkanstoß – über den deutschen „Weltschmerz“ im Allgemeinen und die zahlreichen Öko-Ideen der vergangenen Jahre. Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Menschen dieses Buch lesen und Fakten künftig den Vorzug geben.

Ökofimmel
Wie wir versuchen, die Welt zu retten – und was wir damit anrichten
von Alexander Neubacher
ISBN: 978-3-421-04549-2
Verlag: DVA Sachbuch

Im Internet: www.randomhouse.de