(Quelle: Kauer/DJV)

Erstes Projektjahr der „Holsteiner Lebensraumkorridore“ erfolgreich

24. November 2011 (djv) Flintbek/Berlin
Experten ziehen Bilanz

Bundesweit einzigartig und schon nach einem Jahr erfolgreich ist das Projekt „Holsteiner Lebensraumkorridore“ rund um die Grünbrücke Kiebitzholm: Fünf Projektpartner – Jäger, Förster, Straßenbauer, Naturschutzstiftung und Wildpark – entwickeln zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Kiel Ideen und Konzepte, wie sich verbleibende Lebensräume von Tieren und Pflanzen dauerhaft verbinden lassen. Ein Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Signalwirkung, denn ohne intelligente Vernetzung droht das lokale Aussterben zahlreicher Arten in Deutschland. Ein Grund für die zunehmende Zerschneidung von Lebensräumen ist das wachsende Verkehrsaufkommen. Umgesetzt werden die Konzepte und Maßnahmen mit inzwischen 30 regionalen Partnern. Das Ziel: Querungshilfen wie Grünbrücken erfolgreich in die vom Menschen stark geprägte Landschaft einbetten. Finanziert wird das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums. Erste Ergebnisse stellen die Projektpartner auf der Fachtagung „Wiedervernetzung in der Praxis“ am 23. und 24. November 2011 in Flintbek vor. Die Veranstaltung wird koordiniert vom Deutschen Jagdschutzverband, der seit 2001 Pionierarbeit auf dem Gebiet der Wiedervernetzung leistet.

Mehr als 350 teils stark bedrohte Tier- und Pflanzenarten wurden seit Projektbeginn vor zwei Jahren bereits auf und nahe der Grünbrücke Kiebitzholm nachgewiesen. Möglich wurde dies durch kleine und große Trittsteine für verschiedenste Arten, die im Rahmen des Projektes „Holsteiner Lebensraumkorridore“ nach und nach innerhalb eines Korridors auf beiden Seiten der Grünbrücke entstehen – und von denen auch besonders sensible Spezies langfristig profitieren. Zahlreiche Arten, von der nur wenig mobilen possierlichen Haselmaus bis hin zu weit wandernden großen Tieren wie dem Rothirsch – dessen genetische Vielfalt bereits durch Verkehrswege eingeschränkt wird –, kommen jetzt schon sicher über die Straße. Für den Autofahrer sinkt zudem das Wildunfallrisiko. Selbst bedrohte Pflanzenarten wie die Heidenelke profitieren von den Korridoren zur Grünbrücke, da sie oft auf Tiere angewiesen sind, die ihre Samen verbreiten.

„Hand in Hand arbeiten recht unterschiedliche Partner erfolgreich an einem klug abgestimmten Konzept von dem alle etwas haben: Tier- und Pflanzenarten ebenso wie die Menschen in der Region durch mehr Lebensqualität bzw. die Vermeidung von Unfallrisiken“, sagt Professorin Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. „Die Holsteiner Lebensraumkorridore sind ein Leuchtturmprojekt von bundesweiter Bedeutung, das exemplarisch veranschaulicht, wie im Zusammenwirken einzelner Akteurs- und Interessensgruppen Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt umgesetzt werden können.“

Dr. Juliane Rumpf, Landesministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, betont: „Schleswig-Holstein ist stolz darauf, Vorreiter bei der integrativen Biotopvernetzung zu sein. Wir haben auf Grund der besonderen geographischen Lage eine zentrale Verantwortung und stellen die Weichen für die Sicherung der Biologischen Vielfalt“.

Dr. Björn Schulz, Projektleiter „Holsteiner Lebensraumkorridore“ bei der Stiftung Naturschutz:
„Wir (die Stiftung Naturschutz) sehen uns im Projekt „Holsteiner Lebensraumkorridore“ ganz in unserer Rolle als Dienstleisterin für die Biologische Vielfalt. Die Wiedervernetzung der Lebensräume spielt eine Schlüsselrolle, wenn wir unseren heimischen Pflanzen und Tieren beim Überleben helfen wollen. Besonders freuen wir uns darüber, dass sich so viele Projektpartner engagieren und die Menschen der Region die Projektziele so tatkräftig unterstützen.“

Dr. Klaus Hinnerk-Baasch, Präsident des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein und im Präsidium des Deutschen Jagdschutzverbandes zuständig für Naturschutz: „Die Grünbrücke bei Kiebitzholm ist auf Betreiben der Jäger entstanden. Denn nur die Vernetzung von Lebensräumen ermöglicht Tieren und Pflanzen langfristig das Überleben. Wir bringen unser Wissen und unsere Erfahrung in das Projekt ein, mit aktiver Naturschutzarbeit setzen wir unseren Hegeauftrag vor Ort um. Uralte Wanderrouten von Tieren wie dem Rothirsch müssen auch über Straßen hinweg erhalten bleiben um genetische Verarmung zu verhindern. Daher macht sich der Deutsche Jagdschutzverband auch für das Bundesprogramm Wiedervernetzung stark.“

Ulrik Steffen, Schleswig-Holsteinische Landesforsten:
„Wir wollen nicht tatenlos zusehen und die Verschlechterung der ökologischen Situation durch die Landschaftszerschneidung nur beklagen, sondern das Machbare im eigenen Wirkungsbereich mit Partnern zusammen in Angriff nehmen und zu einer Verbesserung beitragen. Dabei bietet uns die Förderung durch das Bundesamt für Naturschutz die Chance, Maßnahmen möglich zu machen, die ansonsten aus wirtschaftlichen Erwägungen unterbleiben müssten.“

Torsten Conradt, Direktor des Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein:
Unsere Mitwirkung in dem Projekt „Holsteiner Lebensraumkorridore“ optimiert die ökologische Funktionsfähigkeit der Grünbrücke durch verbesserte Vernetzung mit ihren Hinterlandbereichen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werden dazu beitragen, bei zukünftigen Projekten die Zerschneidungs- und Barrierewirkung noch weiter zu minimieren. Straßenbau und Ökologie finden durch solche Projekte immer mehr zueinander.

Ute Kröger, Wildpark Eekholt:
„Die Bildungsarbeit des Wildparks Eekholt setzt auf die Vermittlung von positiven Naturerlebnissen. Erst die Verknüpfung von ökologischem Wissen und positiven Erlebnissen führt zu Wissenszuwachs und zu Verhaltensänderungen. Bezogen auf die Holsteiner Lebensraumkorridore sollen die Bewohner der Region die Lebensräume als ihre Heimat kennen und schätzen lernen. Damit wäre der Grundstock gelegt, dass sich auch zukünftig Menschen für Lebensräume, Pflanzen und Tiere in der Region engagieren und Verantwortung übernehmen.“

PD Dr. Heinrich Reck, Abteilung Landschaftsökologie des Instituts für Natur- und Ressourcenschutz der Universität Kiel, Wissenschaftliche Leitung „Holsteiner Lebensraumkorridore“: „Wir lernen, dass es beim Bau von Querungshilfen besonders auf das oft vernachlässigte Bodensubstrat und die Begrünung ankommt und – noch mehr – auf die Umfeldgestaltung sowie die Hinterlandanbindung, wenn Grünbrücken ihren Beitrag zur Sicherung der Biologischen Vielfalt leisten sollen. Die Holsteiner Lebensraumkorridore können die notwendige Mobilität von Schlüsselarten und von gefährdeten Arten sichern. Großräumig wandernde Arten wie der Rothirsch nutzen die Grünbrücke und queren die Autobahn unfallfrei, genauso wie gefährdete Lurche, Reptilien und Insekten.“