(Quelle: Kauer/DJV)

„Kreuz durchdrücken und tapfer für die eigene Unschuld kämpfen“

26. April 2023 (DJV) Berlin

Das Landgericht Potsdam hat am 21. Februar 2023 den Freispruch gegen einen niederländischen Jäger bestätigt. Dieser hatte bei einer Drückjagd einen Wolf geschossen, der einen Hund angegriffen hat. Das Verfahren wurde von vielen Jägern und Hundeführern mit Spannung verfolgt. Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin hat den Angeklagten verteidigt und erläutert im Interview die Hintergründe und die Konsequenzen.

Jagdrechtsexperte Dr. Heiko Granzin über Hintergründe und die Konsequenzen des Potsdamer Wolf-Prozesses.
Jagdrechtsexperte Dr. Heiko Granzin über Hintergründe und die Konsequenzen des Potsdamer Wolf-Prozesses. (Quelle: Granzin/DJV)

DJV: Was hat das Landgericht Potsdam Ende Februar eigentlich genau entschieden?

Dr. Heiko Granzin: Mein Mandant hatte im Jahre 2019 in Brandenburg im Rahmen des „Hundeschutzes“ auf einer Drückjagd einen Wolf getötet. Die Staatsanwaltschaft klagte den Mann dann wegen eines Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz an. Der Bursche ist ein harter Knochen. Alle Angebote der Ermittlungsbehörden, die Sache gegen eine Geldzahlung zu beenden, hat er ausgeschlagen, weil er sich sicher war, nichts Falsches gemacht zu haben. Das Amtsgericht Potsdam gab ihm in erster Instanz recht und beantwortete dabei die Frage der Rechtfertigung ganz klar „pro Hund“. Das Landgericht bestätigte jetzt in zweiter Instanz den Freispruch – wenn auch mit einer deutlich weniger pointierten Begründung.

Stichwort Notstand: Wie viel Klarheit bringt das Urteil tatsächlich für die Jagdpraxis?

Leider deutlich weniger als erhofft. Den Freispruch des Schützen begründete das Gericht sehr juristisch komplex mit einem sogenannten „Erlaubnistatbestandsirrtum“. Die Thematik der Rechtsgüterabwägung zwischen Hund und Wolf bzw. Eigentum und Naturschutz reißt das Gericht insofern nur ganz am Rande an und wirft dabei mehr Fragen auf, als es beantwortet. Das Urteil ist damit so auf diesen Einzelfall verengt, dass es als „Blaupause“ für eine Empfehlung für zukünftige Handlungen in vergleichlichen Situationen völlig ungeeignet ist – leider.

Was darf ich tun, wenn mein Jagdhund im Einsatz von einem Wolf angegriffen wird? Und gibt es einen Unterschied zwischen dem eigenen Hund und dem eines anderen Jägers?

Die herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft, der wissenschaftliche Dienst des Bundestages und das Amtsgericht Potsdam sehen die Tötung eines Wolfes im Rahmen des „Hundeschutzes“ eindeutig als gerechtfertigt an. Auch das Landgericht deutet zumindest an, dass es „in diese Richtung gedacht hat“. Darauf werden sich die Jäger jetzt erst mal verlassen dürfen. Ich jedenfalls würde „bis zur letzten Patrone kämpfen“, wenn mein Hund von einem Wolf angegriffen würde. Und das gilt nicht nur für den eigenen Hund.

Der DJV fordert eine Klarstellung, dass ein Wolf in einer Notstandssituation geschossen werden darf.  Welche Vorteile brächte eine solche gesetzliche Regelung?

Man muss sagen, dass die Rechtsfrage auch im Falle eines klareren Urteilsspruches damit nicht endgültig geklärt worden wäre. Es gibt in Deutschland 115 Landgerichte und die Entscheidung des einen bindet die anderen nicht. Wirklich belastbar kann Rechtsklarheit nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden. Angesichts hunderter jedes Jahr von Wölfen getöteter Nutztiere ist es völlig absurd, dass der Gesetzgeber offenbar fürchtet, zu Staub zu zerfallen, sollte er diese Aufgabe lösen. Aber auch eine gesetzliche Notstandsregelung würde natürlich nicht bedeuten, dass dann Gerichtsverfahren zukünftig völlig ausgeschlossen wären. Bei jeder Wolfstötung würde ja immer noch ermittelt. Stellt sich dann heraus, dass tatsächlich gar keine Notstandssituation vorlag, käme es immer noch zu einem Gerichtsverfahren.

Was sollte ein Jäger tun, der in einer Notstandssituation einen Wolf geschossen hat?

Wer in einer Notstandsituation das getan hat, was in meinen Augen zu tun ist, hat zwei Möglichkeiten. Entweder er schafft maximale Transparenz. Heißt – er sichert Zeugenaussagen, sorgt dafür, dass der Tatort unverändert bleibt und ruft die Polizei. Dann heißt es hoffen, dass die Notstandssituation belegt werden kann und die Staatsanwaltschaft sich der richtigen, d. h. hier dargelegten Rechtsauffassung anschließt und das Verfahren einstellt. Allerdings ist die Rechtsfrage ja immer noch nicht vollständig geklärt und Ermittlungen würden ja in jedem Falle geführt werden. Wer dies vermeiden will und in dieser Situation im wahrsten Sinne des Wortes „Gras über die Sache wachsen lässt“, würde sich damit zumindest nicht erneut strafbar machen. Das deshalb, da es den Grundsatz gibt, dass niemand an seiner eigenen strafrechtlichen Verfolgung mitwirken muss. Sollte das dann aber später irgendwie auffliegen, wirkt eine solche Verdeckungshandlung natürlich schon sehr verdächtig. Die „Notstandssituation“ würde dann kaum noch jemand glauben wollen. Ich rate daher zum „holländischen Weg“ – Kreuz durchdrücken und tapfer für die eigene Unschuld kämpfen.

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