(Quelle: Kauer/DJV)

"Manchmal muss man beharrlich sein"

26. September 2020 (DJV) Berlin

Dr. Heiko Granzin ist Experte für Internetkriminalität. Im Fall "Waidfräulein" hat er mehr als 50 Fälle geklärt. Im DJV-Interview gibt er Tipps, wie sich Opfer verhalten sollten.

Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin ist Experte im Jagdrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Agrarrecht mit Kanzleiniederlassungen in Hamburg und Schwerin.
Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin ist Experte im Jagdrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Agrarrecht mit Kanzleiniederlassungen in Hamburg und Schwerin. (Quelle: Granzin/DJV)

Rechtsanwalt Dr. Heiko Granzin ist Experte im Jagdrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Agrarrecht mit Kanzleiniederlassungen in Hamburg und Schwerin. Er vertritt seit Jahren Geschädigte von Internetkriminalität. Im Fall des Waidfräuleins erwirkte Dr. Granzin in mehr als 50 Fällen Strafbefehle, Urteile, Schmerzensgeld oder Unterlassungserklärungen. Im DJV-Interview erläutert er, wie sich Opfer von Hasskriminalität wehren können.

DJV: Was ist eigentlich eine Beleidigung?

Dr. Heiko Granzin: Eine Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung einer Person. Klar ist das bei Kraft- oder Fäkalausdrücken. Aber auch die Titulierung eines bestimmten Jägers als „krank“ oder „triebhafter Mörder“ ist nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Und was ist eine Bedrohung?

Eine Bedrohung ist die Ankündigung eines gegen den Betroffenen gerichteten Verbrechens, also aller Straftaten, die im Mindestmaß mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind. Der Klassiker ist natürlich „Ich bring Dich um“. Wenn Jägerinnen zum Ziel von Internethetze werden, gehen so manchem Jagdgegner aber offenbar die Phantasien durch. Da werden dann gern sexualbezogene Straftaten angekündigt. Auch das sind in der Regel Verbrechenstatbestände. Die Drohung muss im Übrigen auch nicht explizit erfolgen. Wer beispielsweise als Reaktion auf einen Jägerpost wortlos ein Bild von einem Galgen mit Strick versendet, hat gute Aussichten, Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt zu machen.

Wie soll ein Betroffener reagieren, der zum Opfer von Internethetzte wird?

Als Erstes: Beweise sichern. Das heißt, Screenshots machen vom betreffenden Post. Wenn sich der Sinn der Erklärung nur aus dem Zusammenhang ergibt, auch den Verlauf der Diskussion sichern. Danach: unbedingt das Profil des Täters sichern. Sinnvoll ist es zu verifizieren, ob es sich um ein echtes Profil handelt oder um einen „Fake“. Da heißt es, detektivisch vorzugehen – zum Beispiel vorherige Einträge des Täters durchgehen. Zudem E-Mail-Adresse, Fotos, Arbeitgeber, Wohnort und dergleichen im Internet suchen. Solche Informationen sind immens wichtig für die Arbeit der Polizei oder eines beauftragten Rechtsanwaltes. Viele besonders aktive Jagdgegner sind in allen möglichen Internetforen und Organisationen zu finden. Diese Informationen gilt es zusammenzutragen.

Was mache ich mit den gesammelten Daten?

Wenn es sich um eine strafbare Beleidigung oder Bedrohung handelt: Strafanzeige erstatten bei der Polizei. Manchmal muss man beharrlich sein. Es gibt eine gewisse Neigung der Strafverfolgungsbehörden, den Betroffenen „abzuwimmeln“. Je mehr Informationen der Betroffene selbst recherchiert hat, umso lieber wird sich die Behörde der Sache annehmen. Darauf verweisen, dass es keinen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Betreiber von Internetseiten gibt, die personenbezogenen Daten eines „Hetzers“ zu erhalten. Die Betroffenen sind also darauf angewiesen, dass die Polizei dies ermittelt. Später kann man dann über die Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft herausfinden, um wen es sich beim Täter handelt. Dafür braucht es allerdings einen Anwalt. 

Wenn der Täter namhaft gemacht wurde – was passiert dann?

Idealerweise wird der „Hetzer“ angeklagt und verurteilt oder erhält einen Strafbefehl. Neben dieser staatlich-strafrechtlichen Folge bietet es sich an, den „Hetzer“ zivilrechtlich in Anspruch zu nehmen. Dafür sollte man sich allerdings einen Anwalt nehmen – das ist nichts, was man selbst mal so nebenbei erledigt. Der Täter wird dann angeschrieben und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und der Anwaltskosten aufgefordert. Wenn der „Hetzer“ jetzt nicht spurt, trägt man den Fall zu Gericht. Erstaunlich, was man da so erlebt. Die gleichen Gestalten, die vorher im vermeintlichen Schutz der Internet-Anonymität andere schwer beleidigt oder bedroht haben, werden dann „ganz klein mit Hut“.

Wer trägt die Kosten eines solchen Verfahrens?

Die Erstattung der Strafanzeige und die Ermittlungstätigkeit der Polizei sind kostenlos. Wer zivilrechtlich vorgehen will, muss die Kosten des eigenen Anwaltes tragen und die Gerichtskosten vorschießen. Ob eine vorhandene Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Unterlassungsverfahrens tragen muss, ist umstritten. Man sollte sich seiner Sache daher schon recht sicher sein, denn der Verlierer eines Gerichtsverfahrens trägt die gesamten Kosten aller Beteiligten.            

Die Bundesregierung hat eine Änderung der Rechtslage angekündigt. Was wird künftig anders sein?

Angesichts mehrerer Gewalttaten gegen Minderheiten und Lokalpolitiker, die von Personen begangen wurden, die sich im Internet radikalisiert haben, hat der Gesetzgeber endlich reagiert. Der Tatbestand der Bedrohung gilt künftig auch schon bei Drohung gegen sexuelle Selbstbestimmung, Freiheit, körperliche Unversehrtheit oder Sache von bedeutendem Wert. Ebenso wie bei Beleidigung wurde auch dort der Strafrahmen erhöht. Auch die Tatbestände der „Billigung von Straftaten“ bzw. „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ werden verschärft. Wenn jemand postet, ein Jäger „gehöre selbst abgeknallt“, dann ist das nicht nur für den eigentlichen Täter strafbar, sondern auch für diejenigen, die ein Like darunter setzen. Vor allem aber werden die Betreiber von sozialen Netzwerken selbst in die Pflicht genommen. Diese werden nunmehr verpflichtet, schwere Delikte, darunter auch die Androhung oder die Billigung von Straftaten, unter Nennung von IP-Adresse und Port-Nummer dem Bundeskriminalamt mitzuteilen. Gerade ausländische Seitenbetreiber wie Facebook haben sich in der Vergangenheit gern ihrer Verantwortung unter der Berufung auf das Recht zur Meinungsfreiheit entzogen. Bedrohungen und Beleidigungen haben mit Meinung aber nun mal nichts zu tun.

26. 9. 2020, Berlin

"Hässliche Frau, wir finden Dich"

Der Fall Waidfräulein hat vor zweieinhalb Jahren für Aufsehen gesorgt: Mehr als 2.000 Hasskommentare in 48 Stunden gab es bei Facebook. Der DJV hat die betroffene Jägerin unterstützt. Inzwischen gibt es in mehr als 50 Fällen Strafbefehle, Urteile, Schmerzensgeld oder Unterlassungserklärungen.

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