(Quelle: Kauer/DJV)

Liebe Politiker, warum machen wir das?

20. Februar 2015 (Berthold Geis) Villmar-Weyer

Berthold Geis berichtet über seine Erfahrungen als Falkner und Jäger. Bei verletzten Wildtieren wird er von der Polizei kontaktiert und kümmert sich umgehend. Doch welche Folgen haben die Jagdgesetznovellierungen? Wer kümmert sich künftig um die Tierarten, die aus dem Jagdrecht genommen werden sollen?

Falkner und Jäger Berthold Geis
Falkner und Jäger Berthold Geis (Quelle: Berthold Geis)

Eine schöne Familienfeier, Kaffee und Kuchen vor mir, da klingelt mein Handy. Die Polizeistation Limburg ist dran und fragt: „Sind Sie Herr Geis? Mittlerweile kommen diese Anrufe immer öfter und ich weiß dann meistens schon was jetzt kommt. „Wir haben hier eine Frau am Telefon, die eine verletzte Eule hat. Können Sie sich darum kümmern, wir hätten sonst niemanden?“ Ja, der Herr Geis kümmert sich. Nicht nur die Polizei, nein auch Tierheim, Privatleute und Tierärzte rufen mich an. Wegen allem möglichen Getier. Froh, überhaupt einen Ansprechpartner zu haben, der weiter helfen kann. Ich kann nicht die ganze Tierwelt retten und bin aber nun mal Falkner, damit kenne ich mich aus und habe auch die speziellen Kenntnisse diesen Vögeln zu helfen. Ab und zu mache ich auch mal eine Ausnahme, aber es muss im Rahmen meiner Möglichkeiten bleiben. Deshalb habe ich mir auch eine Liste angelegt, mit allen dafür möglichen Spezialisten und Auffangstationen: Seien es Fledermäuse, Kraniche, Enten, Igel, Wildschweine, (Frösche), Rehe, Füchse, Singvögel usw. Komisch, wenn ich jetzt darüber nachdenke, sind das alles Jäger.

Ich rufe die mir von der Polizei mitgeteilte Telefonnummer an und erreiche eine aufgeregte Frau:

„Meine Katze hat eine kleine Eule gefunden, können Sie die bei mir abholen?“

„Oh, jetzt? Ich bin gerade auf einer Familienfeier?“ 

„Ja, können Sie nicht trotzdem kommen, wissen Sie ich kenne mich damit ja nicht aus und muss jetzt zu einem Termin. Und meine Katzen will ich nicht alleine mit dem Vogel im Haus lassen.“

„Ja Frau …., können Sie denn nicht den Vogel zu mir nach Hause bringen?“

„Das sind doch mindestens 25 km Fahrt bis zu Ihnen und ich habe auch gar keine Zeit. Ich glaube so schlimm ist es mit dem Vogel auch nicht, er ist jetzt auch ganz ruhig. Am besten lasse ich ihn morgen wieder fliegen.“

Ich überlege kurz, was ich jetzt machen soll? Fahre ich jetzt dahin, dann kann ich die Feier vergessen bis ich wieder zurück bin. Und die Blicke von Tina und meiner Familie, wenn ich tatsächlich los fahre! Wäre ja nicht das erste Mal das so was passiert und ich alles Mögliche liegen lasse um mich um ein verletztes Wildtier zu kümmern. Ich versuche es also noch einmal.

„Frau …, gibt es den keine Möglichkeit das Sie zu mir kommen oder jemanden schicken?“

„Nein, das geht jetzt nicht und wer bezahlt mir das überhaupt? Wissen Sie, wo ich schon überall angerufen habe und keiner kann helfen. Ich habe schon über eine Stunde meiner Zeit geopfert, wann kommen Sie denn?“

Ja, wann komme ich und warum überhaupt? Warum soll ich mir das antun. Ich bin doch Jäger und Jäger töten doch Tiere, statt sie zu hegen und pflegen.

So kann man das doch immer öfter in den Medien gegen die Jagd lesen. Und haben die Medien nicht immer Recht? Nun gut, nur kurz habe ich diese Gedanken weil diese Anrufe mittlerweile Routine für mich sind. Ja ich komme, weil ich Jäger bin!

Zu Tina und den anderen sage ich nur schnell, ich muss noch mal weg, erkläre kurz warum und vermeide es, Tina dabei direkt anzublicken. Fürchte ich ihren Blick? Nein, eigentlich nicht, selbst Jägerin hat sie natürlich Verständnis dafür, unangenehm ist es mir aber doch. Warum auch immer ich und gerade heute? Ich fahre schnell los, weil die Frau nicht länger warten will. Mist, der Tank ist auch noch fast leer. Habe ich überhaupt genügend Geld dabei?

Turmfalken Pfleglinge

Beim Haus angekommen muss ich mir zunächst noch Vorwürfe anhören, warum das so lange gedauert hat. Auf meinen vorsichtigen Einwand hin, dass ich das ehrenamtlich mache und sie selbst bzw. ihre Katze dafür verantwortlich sein müsse, muss ich mir einiges anhören. Ja, natürlich darf ihre Katze immer frei draußen herum laufen. Sie wohne doch am Ortsrand und alles andere wäre doch nicht Artgerecht. Auch hätte sie sich ja sofort darum gekümmert, sie sei schließlich Tierfreundin und spende auch immer für NABU und PETA. Ich konnte es mir nicht verkneifen sie zu fragen, warum sie den nicht dort mal versucht hat anzurufen und um Hilfe zu bitten.

Ja, diese Organisationen kümmern sich doch um größere Aufgaben. Wie Hunde und Katzen im Ausland, gegen Massentierhaltungen und auch gegen die Jagd und Jäger sind diese Organisationen, weil die Jäger ja alle Tiere abschießen wollen. Auch bei ihr ums Haus sähe sie kaum noch „Häschen“ oder Fasane.

Um ihre Katze hätte sie auch immer Angst, wenn sie täglich im Feld ihren Freigang hat. Man hört und liest ja so viel davon, dass die Jäger die alle abschießen. Auf meinen Einwand hin das „ich auch Jäger“ bin, kommt erst mal ein „So sehen Sie aber gar nicht aus“ und dann betretenes Schweigen. Darauf war sie noch gar nicht gekommen, weil sie in ihrer Not ja bei der Polizei angerufen hatte. Dort ist meine Nummer für Notfälle hinterlegt und im anschließenden Telefonat mit ihr ging es ja auch nicht darum wer ich bin, sondern wer sofort Hilfe leisten kann. Ihr Schweigen nutzte ich aus um sie vorsichtig darüber aufzuklären, was ihre Katze in der „Natur“ so alles am Niederwild anrichten kann. Nein, die Häschen wären viel schneller als ihre Katze, das hatte sie selbst schon beobachtet und die paar Kleinen die sie doch mal mitbringt, waren sicher krank, das ist ja schließlich auch Natur!

Gut, ich gebe es auf und wollte mich jetzt lieber mal um die Eule kümmern. Vorsichtig griff ich in den Karton und umschloss mit meinen Fingern beide Ständer des noch recht jungen Turmfalken. Nun, da Falken mit dem Schnabel ihre Beute töten, biss er mich auch gleich in den Daumen. Das war zunächst mal Gut, seine Lebensgeister waren also noch da. Ich hatte keinen Handschuh dabei, konnte mich darauf ja nicht vorbereiten. So zog ich ihn aus dem Karton und das Blut von meinem Daumen und seiner Wunde aus der rechten Schwinge tropfte dabei auf das Jackett meines guten Anzuges. Offener Bruch an der Handschwinge, das rechte Auge geschwollen und einige Federn fehlten am Rücken. Die Katze hatte ihn doch schließlich „nur gefunden“ und nach Hause apportiert.

Der Frau ließ ich wie immer in solchen Fällen meine Visitenkarte da, damit sie mich in ein paar Tagen anrufen könnte, um zu hören wie es mit dem Turmfalken weiter gegangen ist. Meine Tierärztin angerufen, ob ich mit einem Notfall noch außerhalb der Sprechstunde kommen kann. Sie kennt das schon und war auch bereit zu warten. Bei ihr dann Röntgen, Flügel geschient, Wunde versorgt und Antibiotikum gegen die Katzenbisse mit der Spritze verabreicht, sowie mir weitere Medikamente und Schmerzmittel mitgegeben. Danke schön!

Berthold Geis

Auf der Rückfahrt mit dem Vogel nach Hause komme ich ins Nachdenken. Was ist eigentlich, wenn unsere Politiker wie angekündigt die Greifvögel und noch weitere Wildarten aus dem Jagdrecht nehmen wollen bzw. schon getan haben? Darf ich mich dann noch rechtlich gesehen um solche Fälle kümmern? Muss ich das dann überhaupt noch, mal ganz abgesehen davon, dass ich das selbstverständlich auch weiter tun werde, weil dann ja auch die Verpflichtung zur Hege entfallen würde? Oder verweise ich einfach bei Anrufen auf NABU, PETA und Co. oder unsere POLITIKER?

Wollen einige unserer Politiker doch in verschiedenen Bundesländern auf „fachkundigen Rat“ dieser Organisationen, etliche Tierarten aus dem Jagdrecht nehmen. Und dazu auf deren Anraten auch die Beizjagd und das Recht zur Haltung von Greifvögeln und somit die Falknerei verbieten. Ein von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe! So was braucht man in der heutigen modernen Zeit doch nicht mehr. Kümmern „die“ sich dann um solche oder ähnliche Fälle?

Liebe Politiker, wissen Sie und ihre „Experten“ was es heißt, ein Wildtier wochenlang zu pflegen, zu versorgen und wieder Wildbahn fähig in die Natur zu entlassen? Ich persönlich bezweifle das. Solche Fälle landen hoffentlich bei den richtigen Praktikern, den Jägern und Falknern. Die dieses Wissen über Generationen hinweg an die nächste weiter geben und auch entsprechend geschult sind. Tierschützer kann und darf sich jeder nennen, im Zweifel genügt es ja wenn ich „Spende“. Ob ich dann auch ein Tierschützer bin, praktisch was tue und das nötige Wissen dazu habe, steht auf einem anderen Blatt. Oder beruhige ich mit einer Geldspende nur mein Gewissen und habe somit genug für den Tierschutz getan? Wie wäre es, wenn man den Jagdorganisationen mal was Spendet? Nein, das sind doch keine Tierschützer!

Ihr Politiker wollt uns das Jagdrecht beschneiden! Ja es stimmt, Tierschutzorganisationen haben weit mehr Mitglieder als die Jagdverbände und Millionen an Spendengelder zur Verfügung. Damit kann man prima Kampagnen gegen die Jagd und Jäger in Auftrag geben und finanzieren. Deshalb sollte man auf diese hören und ihren Forderungen gegen die Jagd oder besser noch deren Abschaffung nachkommen? Die nächste Wahl kommt bestimmt und deren Stimme ist Ihnen dann sicher!? Können diese sogenannten Experten aber das leisten was die Jäger leisten und können? Und dafür auch noch Geld in Form der Jagdpacht und Wildschäden bezahlen? Oder zählt das alles nichts, geht es in Wirklichkeit nur um Wählerstimmen und gesicherte Posten, egal aus welcher Ecke und aus welchem Grund die Stimmen kommen?

Wildtieren zu helfen ist nicht einfach, sich für ihren Schutz einzusetzen, sie zu pflegen und zu HEGEN. Auch einen kleinen Turmfalken, ein Rehkitz oder Lebensräume für diese zu schaffen. Unfallwild bei Tag und Nacht von der Straße zu entsorgen und noch vieles mehr, auf das ich hier nicht näher eingehen will, weil es den Rahmen sprengen würde. Dies alles ist nicht sehr Prestigeträchtig und Medienwirksam. Die Forderung aber bei den Millionen Katzenbesitzern, den Abschuss von wilderten Katzen zu verbieten, schon. Kein Jäger schießt aus Spaß auf Katzen oder Hunde. Die Politik soll und will uns aber die Möglichkeit nehmen, in Wald oder Feld auf diese entsprechend zu reagieren. Das Niederwild wie Fasan, Rebhuhn, Kaninchen, Hase, aber auch Singvögel, Eidechsen und Amphibien müssen ein Recht  und Schutz auf ihren Lebensraum haben. Ist dies kein Tierschutz wenn ein Jäger hier notfalls als letztes Mittel eingreifen kann und darf?

Natürlich sind nicht alle Katzen- oder Hundehalter verantwortungslos. Meine „Katzenhalterin“ hat sich übrigens auch nicht mehr bei mir gemeldet. Ich erwarte das auch nicht, ich dachte zumindest aber das sich die „Tierfreundin“ mal nach dem weiteren Zustand des Turmfalken erkundigen würde. Die Rechnung für die folgenden Tierarztbesuche und Medikamente habe ich übrigens selbst bezahlt. Warum ich das alles mache?

Weil ich Jäger und Falkner bin!

Berthold Geis
1.Vorsitzender Landesverband Hessen
im Orden Deutscher Falkoniere