Die wachsende Unterstützung von Kampagnen gegen die Jagd, die im Ausland ausgeübt wird, erhält insbesondere unter Nicht-Jägern zunehmend Unterstützung. Da Medienkommunikation und koordinierte Kampagnen die öffentliche Meinung wesentlich beeinflussen können, besteht Handlungsbedarf, um den Beitrag der Auslandsjagd zur nachhaltiger Entwicklung aufzuzeigen.
Die Gruppe der Rabenvögel umfasst 10 Arten in Deutschland: Eichelhäher (Garullus glandarius), Elster (Pica pica), Dohle (Corvus monedula), Saatkrähe (Corvus frugilegus), die eng verwandten Arten Rabenkrähe (Corvus corone) und Nebelkrähe (Corvus cornix), Kolkrabe (Corvus corax) und die im Gebirge lebenden Arten Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes), Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) und Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax).
In ihrer Sozialstruktur sind Rabenvögel sehr variabel. Die jährliche Brut von durchschnittlich 3 bis 4 Jungvögeln wird von einem Paar aufgezogen, die mitunter eine lebenslange Bindung haben. Sie besetzen ein Revier wie der Kolkrabe oder brüten in Kolonien wie die Saatkrähe. Die Geschlechtsreife wird artbedingt im zweiten oder dritten Lebensjahr erreicht. Nicht brütende Individuen, meist junge Tiere, bilden sogenannte Junggesellentrupps, die noch kein Revier besetzen und zur Nahrungssuche weiträumig unterwegs sind. An ergiebigen Nahrungsquellen wie offenen Müllkippen führt das zu großen Ansammlungen vornehmlich aus Nichtbrütern verschiedener Rabenvogelarten (z. B. Raben- und Saatkrähe, Kolkrabe).
Die Bestände in Deutschland (Zeitraum 2011 bis 2016) und ihre langjährigen Entwicklungen zeigen bei Elster (375.000 bis 550.000) einen gleichbleibenden Trend mit stabilen Beständen, einen ansteigenden Trend für die Arten Nebelkrähe (56.000 bis 78.000), Rabenkrähe (670.000 bis 910.000) und Kolkrabe (20.000 bis 28.000) (Gerlach et al. 2019). Die langfristige Bestandszunahme bei Nebel- und Rabenkrähe lässt sich vornehmlich auf die zunehmende Verstädterung zurückführen: Urbane Bereiche sind Besiedlungsschwerpunkte. Der Kolkrabe konnte nach Einstellung seiner Verfolgung Mitte des 20.Jahrhunderts viele ehemalige Gebiete in Deutschland wiederbesiedeln. Dieser Prozess ist auch heute noch zu beobachten (Gedeon et al. 2014).
Gründe für die Bejagung
Rabenvögel nutzen sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrungsquellen und suchen ihr Futter gern im Offenland. Dies kann zu Schäden – vor allem durch Raben- und Saatkrähe – in landwirtschaftlichen Kulturen führen, wenn beispielsweise gesäte Getreidekörner, aufgelaufene Saat oder junge Salatpflanzen gefressen werden. Ebenso hacken Rabenvögel Silageballen auf, um an Fressbares zu gelangen. Krähen scheuen sich auch nicht, in den Stall zu fliegen, um sich am Futter für Nutztiere zu bedienen, womit dieses durch Eintrag des Vogelkots verunreinigt wird. Darüber hinaus sind Rabenvögel als Allesfresser Gelegeräuber. Zudem können Rabenvögel für Junghasen und Jungvögel zur Gefahr werden. Für bestandsgefährdete Arten wie Kiebitz, Wachtel und Rebhuhn wird der Prädationsdruck zu hoch, wenn neben bodenlebenden Raubsäugern zusätzlich fliegende Fressfeinde zu ihrer Reduktion beitragen.
Bejagung
In der EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) sind Rabenvögel im Anhang II gelistet und können außerhalb ihrer Brut- und Aufzuchtzeiten bejagt werden. Allerdings dürfen damit ihre Bestände nicht gefährdet werden.
Nach Bundesjagdgesetz unterliegt der Kolkrabe mit ganzjähriger Schonzeit dem Jagdrecht. In vielen Bundesländern werden Rabenkrähe, Nebelkrähe und Elster nach Landesrecht bejagt: ab August bzw. Oktober bis Januar bzw. Februar (in Hessen bis 31.12., in Nordrhein-Westfalen bis 10.3.). Vor einer Bejagung muss man sich grundsätzlich über die aktuellen jagdrechtlichen Vorgaben im betreffenden Bundesland informieren.
Der Anteil an unerfahrenen Jungvögeln und die während der Schonzeit entwickelte Vertrautheit der Rabenvögel beschert zu Beginn der Jagdzeit einen höheren Streckenanteil. Andererseits sollte mit Blick auf die Brut- und Aufzuchtzeit von Bodenbrütern, Singvögeln und Niederwild insbesondere im ausgehenden Winter der lokale Rabenvogelbestand ausgedünnt werden.
Rabenvögel sind sehr lern- und anpassungsfähig, was sie befähigt, schnell ergiebige Nahrungsquellen zu finden. Das Beobachten von zielgerichtet fliegenden Artgenossen weist anderen Individuen den Weg. Diese Eigenschaft macht man sich in der sogenannten Lockjagd zunutze. Allerdings ist eine sorgfältige Vorbereitung und professionelle Durchführung essenziell, um einen hohen Jagderfolg zu erzielen.
Darüber hinaus können Krähen und Elstern auch im Einzelabschuss mit der „kleinen Kugel“ (z.B. 22lfb) erlegt werden.
Standplatzwahl und Tarnung
Zur Wahl eines geeigneten Platzes für den Aufbau eines Lockbildes und des Ansitzschirms sollten die aktuellen Flugrouten, Schlaf- und Futterplätze bekannt sein. Ideal sind Flächen, die in den Vortagen vermehrt angeflogen wurden (umgebrochene Äcker, gemähte Wiesen, Stoppeläcker mit ausgebrachten Stallmist u. ä.) und in deren Nähe sich Baumgruppen, Hecken oder mit Gehölz durchsetzte Schilfsäume befinden, in denen sich Ansitzschirme gut verbergen lassen. Mit höhenverstellbaren Teleskopstangen (es eignen sich auch alte Angelruten), einem Nylon-Leichttarnnetz (Empfehlung: 5 m x 1,60 m), das mit handelsüblichen Leimzwingen fixiert wird, lässt sich ein an die Umgebung angepasster Ansitzschirm ohne Abdeckung zum Himmel errichten. Da Krähen über einen sehr guten optischen Sinn verfügen, ist zusätzlich eine gute Tarnkleidung der Jäger (Camouflageanzüge) mit entsprechender Kopfbedeckung für den Jagderfolg wichtig.
Krähen fliegen am liebsten gegen den Wind an. Der Standplatz für den Ansitzschirm sollte demnach so gewählt werden, dass man den Wind im Rücken hat. So wird vermieden, dass die anfliegenden Vögel den Tarnstand entdecken.
Aufbau des Lockbildes
Der Aufbau eines sogenannten freundlichen Lockbildes mit Krähenattrappen (imitiert nahrungssuchende Krähen) muss für den Frühansitz in der Dunkelheit geschehen oder früh genug vor dem Abendansitz, bevor umherstreifende Krähen das Aufstellen der Attrappen beobachten können. Gegenüber Kunststoffkrähen sind „beflockte“ oder „besockte“ Lockkrähen vorzuziehen, da sie durch den filzartigen schwarzen Überzug natürlicher wirken und eine bessere Lockwirkung erzielen. Die Boden-Lockkrähen sollten nicht in einer bestimmten Anordnung aufgestellt, sondern zufällig verteilt werden, damit das Lockbild realistisch wirkt. Eine größere Anzahl von Attrappen täuscht eine ergiebige Nahrungsquelle vor und übt damit eine starke Anziehung auf Krähen aus. An Flächen, die gern von Krähen angeflogen werden, können randständige Bäume und Gebüsche zusätzlich zur Platzierung von Wächterkrähen-Attrappen genutzt werden, um Vertrautheit zu schaffen und Krähen zum Anfliegen zu verleiten. Mit zusammensteckbaren Aluminiumstangen und Lifthaken können die „Wächterkrähen“ in Höhen bis zu zehn Meter in den Bäumen angebracht werden.
Die Anziehung des Lockbildes basiert auf der Neugierde und dem Futterneid der anfliegenden Krähen. Das Lockbild muss natürlich wirken, weshalb sich z. B. Witterungen mit Reifbildung nicht eignen, da sich dieser auch auf den Attrappen niederschlägt. Der Krähenmagnet oder drehbar beflockte Krähen sind bewegliche Lockvögel, die fressende Krähen imitieren. Da die Tiere als gute Beobachter bei gleichförmigen Bewegungen vorsichtig werden, sollte der Krähenmagnet – sofern er nach Landesjagdrecht zugelassen ist – nicht zu oft eingesetzt werden. Das aufgebaute Lockbild sollte zum einen dem Sicherheitsbedürfnis der Krähen genügen, zum anderen muss der Tarnschirm in optimaler Schussentfernung (ca. 15 bis 20 m) stehen.
Akustische Krähenlocker
Das Nachahmen von Rufen dient dazu, Krähen auf Schrotschussentfernung anzulocken. Dabei dürfen nur Mundlocker und von Hand bediente Krähenlocker eingesetzt werden. Nach Bundesjagdgesetz § 19, 5a (Sachliche Verbote) sind elektronische Lockgeräte verboten.
Der Einsatz von Lockrufen ist situationsbedingt und kann insbesondere bei schlechtem Wetter helfen. Auch bei fortgeschrittenem Jagdjahr, wenn die Krähen schon Erfahrungen durch die Bejagung gesammelt haben, können Lockrufe den Jagderfolg fördern. Am Frühansitz werden durch ein- bis zweimalige Lockrufe Krähen zum Zustehen bewegt. Mit gezielten Lockrufen können auch abstreichende Krähen noch einmal „zurückgeholt“ werden. Rufe dienen dazu, das Lockbild vertrauter zu machen. Die Reaktion der anfliegenden oder aufgebaumten Krähen auf die Lautäußerungen sollte aber immer gut beobachtet werden. Die Art des Lockrufs (Futter-, Sammel-, Klageruf) muss an die Krähen angepasst sein.
Waffe, Munition, Gehörschutz
Gegenüber doppelläufigen Flinten bieten Selbstladeflinten den Vorteil, dass schnell ein dritter Schuss möglich ist. Das leichtere und sichere Nachladen im engen Ansitzschirm ist ebenso von Vorteil. Schrotpatronen im Kaliber von 2,5 bis 3 mm sind für die Krähenjagd geeignet, als optimal hat sich 2,7 mm erwiesen. Ein Vorlagegewicht von 32 Gramm ist ausreichend. Die Deckung der Schrote ist entscheidend. Deshalb sollte man seine Flinte daraufhin überprüfen, indem einige Schüsse auf eine Anschussscheibe mit aufgemalter Krähe abgegeben werden. Für eng gebohrte Flinten (Halb- und Vollchoke) sind Streupatronen am besten geeignet.
Bei den meist hohen Schusszahlen ist die Verwendung eines aktiven Gehörschutzes unbedingt empfehlenswert und gegebenenfalls eine Information an die Anwohner am Tag vor der Rabenvogeljagd.
Jagdhund
Für die Krähenjagd ist ein brauchbarer Jagdhund ein unentbehrlicher Helfer. Das bedeutet nicht nur, dass der Hund die entsprechende Prüfung abgelegt hat, sondern die erforderliche Apportierarbeit wirklich gut leistet. Der apportierende Jagdhund wird von Krähen weniger als störend empfunden und zudem wird dadurch die Verknüpfung „Lockbild und Mensch“ vermieden.
Alle Vorstehhunde sind grundsätzlich für das Verlorenbringen gut geeignet. Wichtige Eigenschaften des Hundes für die Krähenjagd sind ein hohes Maß an Standruhe, Raubwildschärfe beim Umgang mit geflügelten Krähen und sicheres Verlorenbringen. Ein Spalt von ca. 25 Zentimeter zwischen der Unterkante des Tarnnetzes und dem Boden ermöglicht dem Hund ein schnelles Apportieren.
Zum Schutz des empfindlichen Hundegehörs bei der Lockjagd mit vielen Schrotschüssen aus nächster Nähe sollte der Hund mit einem Hundegehörschutz ausgerüstet und/oder in einem separaten Hundeschirm abgelegt werden. Bei kühler und feuchter Witterung wird der Hund vor Auskühlung effektiv mit einer Neoprenweste geschützt.
In vielen Bundesländern ist ein brauchbarer und geprüfter Jagdhund bei der Jagd auf Federwild vorgeschrieben!
Krähenjagd mit Beizvogel
Neben der Bejagung mit der Schusswaffe kann auch die Beizjagd auf Rabenvögel effektiv ausgeübt werden. Zum Einsatz kommen Habicht, Sperber und Amerikanischer Wüstenbussard (Kurzstreckenjäger) oder Wander-, Ger- und Sakerfalke (Langstreckenjäger). Die Beizjagd wird mit den Falken aus dem sog. „Anwarten“ auf Krähenschwärme ausgeübt, d. h., dass der Falke hoch über einer Deckung auf sich dort drückende Rabenvögel Scheinangriffe fliegt und wartet, bis der Falkner das Beizwild zur Flucht in den freien Luftraum bewegt und der Falke seine Beute „binden“, d. h., fangen kann. Kurzstreckenjäger wie der Habicht jagen einzelne, sitzende Krähen und Elstern an und überwältigen diese unter Ausnutzung jeder natürlichen Deckung meist am Boden. Die für die Rabenvogelbeize eingesetzten Beizvögel sind ausgesprochene Spezialisten in Bezug auf ihr zugedachtes Wild und in der Lage, hohe jährliche Gesamtstrecken zu erzielen. Das anfallende Wild wird vollumfänglich zur Ernährung des Beizvogels genutzt.
Rabenvögel sind sehr intelligent und lernfähig. Daher ist es ratsam, die Reviere nicht zu oft mit dem Beizvogel oder der Flinte zu bejagen, da sie sonst in die Nachbarreviere abwandern und der Jagderfolg gemindert wird.
Verwertung
Die Verwertung von Flugwild kennen viele nur im Zusammenhang mit Fasan, Taube oder Enten. Aber auch Rabenvögel haben Brustfilets, die in verschiedener Weise schmackhaft zubereitet werden können.
Allerdings konsumieren Rabenvögel als Allesfresser auch Fleisch und sind damit potenziell Träger von Trichinen. Deshalb müssen sie gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 1375/2015 der Kommission vom 10.8.2015 vor dem Verzehr einer Beprobung unterzogen werden.
Generell sollte Wildgeflügel für mindestens fünf Minuten auf eine Kerntemperatur von 70 Grad erhitzt werden, um eine Keimbelastung auszuschließen.
Quellen:
Durchführungsverordnung (EU) 2015/1375 der Kommission vom 10.08.2015 mit spezifischen Vorschriften für die amtlichen Fleischuntersuchungen auf Trichinen (Kodifizierter Text); online abgerufen am 21.10.2020 unter: www.3drei3.de/3tres3_common/art/de/973/fitxers/20150810-Fleischuntersuchungen%20auf%20Trichinen.pdf
Gedeon K.; C. Grüneberg; A. Mitschke; C. Sudfeldt; W. Eikhorst; S. Fischer; M. Flade; S. Frick; I. Geiersberger; B. Koop; M. Kramer; T. Krüger; N. Roth; T. Ryslavy; S. Stübing; S.R. Sudmann; R. Steffens; F. Vökler und K. Witt (2014): Atlas deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster.
Gerlach, B., R. Dröschmeister, T. Langgemach, K. Borkenhagen, M. Busch, M. Hauswirth, T. Heinicke, J. Kamp, J. Karthäuser, C. König, N. Markones, N. Prior, S. Trautmann, J. Wahl & C. Sudfeldt (2019): Vögel in Deutschland – Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
Landesjägerschaft Niedersachsen (Hrsg.): Effektive Krähenjagd – Tipps und Tricks für die Lockjagd auf Krähen (Faltblatt)
Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (kodifizierte Fassung); online aufgerufen am 20.10.2020 unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:020:0007:0025:DE:PDF
Biologische Vielfalt muss künftig ein Produktionsziel der Landwirtschaft werden, damit bedrohte Tier-und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft eine Chance haben. Die Bundesregierung ist deshalb in der Pflicht, auf Basis der EU-Pläne einen effektiven nationalen Strategieplan zu entwickeln. Der DJV sieht es als dringend notwendig an, die Förderstrukturen künftig gezielter und auch unbürokratischer auszurichten.
Derzeit werden über 50 Prozent der Ackerfläche Deutschlands (6,8 Mio. Hektar) mit nur noch drei Fruchtarten –Mais, Raps und Weizen –bestellt und intensiv bewirtschaftet. Profiteur ist das anpassungsfähige Wildschwein, das dort in der Vegetationsperiode von Anfang Mai bis in den Oktober nur schwerlich bejagt werden kann. Auf dem Rückzug sind hingegen spezialisierte Arten wie Feldhase, Rebhuhn oder Fasansowie viele weitere auf Agrarlebensräume angewiesene Tier-und Pflanzenarten.
In den Jahren 2018 und 2019 haben Stürme, Dürre, Waldbrände und Borkenkäferbefall 2,3 Prozent der Waldfläche vernichtet. Das bedeutet, dass 245.000 Hektar wiederbewaldet werden müssen – das entspricht etwa der Fläche des Saarlandes. Für Aufforstung, Abtransport von Schadholz und Umbau zu klimaangepassten Mischwäldern stellt die Bundesregierung 480 Millionen Euro für den Zeitraum 2020 bis 2023 bereit. Diese Chance muss genutzt werden, um Wälder zu gestalten, die Lebensraum für Wildtiere bieten, wirtschaftlich nutzbar bleiben und dem Klimawandel trotzen.
Der DJV fordert in diesem Zusammenhang:
- Einen vielfältigen Lebensraum Wald fördern. Die Anlage und Pflege von Waldinnenrändern und -außenrändern mit Kräutern, Sträuchern und Weich-hölzern (Prossholz) müssen staatlich gefördert werden, denn sie dienen der Artenvielfalt und sind Nahrung für Pflanzenfresser. Sie dienen der Artenvielfalt und sind Nahrung für Pflanzenfresser – das hilft, Wildschäden an wirtschaftlich relevanten Baumarten zu vermeiden. Zudem müssen räumlich und zeitlich flexible Areale ausgewiesen werden, in denen beispielsweise im Sinne einer intelligenten Jagdstrategie Nutzung (Forst-. Jagd-. Freizeitnutzung) aus waldbaulichen Erfordernissen heraus eingeschränkt wird. Dem Wild werden damit notwendige Ruhezonen eingeräumt. Anzustreben ist ein vielfältiger Aufbau des Waldes hinsichtlich Baumalter und -arten. Leistungen der Waldbesitzer für die Artenvielfalt müssen in der GAK-Rahmenlinie Förderbereich Forst konkreter beschrieben werden. Der DJV fordert, dass dort neben forstwirtschaftlichen Aspekten künftig die Lebensraumgestaltung mehr Beachtung findet. Arbeit für die Artenvielfalt muss sich lohnen, für den Waldeigentümer müssen attraktive finanzielle Anreize geschaffen werden. So lassen sich ökonomischer Mehrwert für Waldbesitzer und gesellschaftlicher Mehrwert zusammen generieren.
- Wildschäden neu bewerten. Es ist nicht relevant, wie viele Jungbäume in Pflanzungen oder Naturverjüngungen von Reh- und Rotwild geschädigt werden. Baum- und Strauchschicht nutzendes Wild gehört ebenso zum Wald wie andere Pflanzenfresser, etwa Siebenschläfer, Feldhasen oder Mäuse. Für die naturgemäße Waldwirtschaft und den auf biologische Automation setzenden Waldbau ist entscheidend: Wie viele Bäume des Zielbestandes pro Fläche unverbissen bleiben, damit der Wald langfristig erhalten werden kann. Diese Kenngröße muss künftig beachtet werden. Die derzeit gängigen Verbissgutachten messen nur, wie viele Bäume verbissen sind. Dieses Verfahren lehnt der DJV als unzureichend für eine Wildschadensbewertung ab.
- Waldumbau großräumig planen. Naturverjüngungen und Anpflanzungen von Jungbäumen müssen in großen Waldgebieten mit homogener Eigentumsstruktur vorrangig großflächig angelegt sein. In solchen Gebietseinheiten müssen Waldbau und Jagd konsequent zusammen gedacht werden und der Schutz der Verjüngung muss vorrangig durch ein intelligentes Regime von Intervall und Schwerpunktbejagung realisieret werden. In eher kleinen Gebietseinheiten (Kleinprivatwald) mit eher kleinflächiger Verjüngung ist das Risiko von Wildschäden besonders groß – auch bei vergleichbar geringen Wildbeständen. Wenn beispielsweise in Nadelholzreinbeständen (27 Prozent der Waldfläche Deutschlands) Laubbaumarten gepflanzt werden, funktioniert das nur mit Forstschutzmaßnahmen. Grundsätzlich gilt: Beim Umbau altersgleicher Bestände mit wenigen Baumarten zu mehrschichtigen, gemischten Wäldern sind seltene Baumarten selbst bei geringer Wilddichte gefährdet. In solchen Hotspots des Waldumbaus sind Schutzmaßnahmen unerlässlich, Einzelschutz ist immer vorzuziehen. Lebensraum und krautige Nahrung (etwa Brombeere) bleiben so für Pflanzenfresser weiter erhalten.
- Wildökologische Raumplanung nutzen. Der Lebensraum von Wildtieren wie Reh und Rothirsch beschränkt sich nicht auf den Wald (30 Prozent Landesfläche). Felder und Wiesen (50 Prozent der Fläche) werden ebenso genutzt. Um Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft zu minimieren, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Lebensraumes der einzelnen Arten nötig. Einen Ansatz dafür bietet die wildökologische Raumplanung. Sie versucht, Nutzungsansprüche von Wildtier und Mensch in Einklang zu bringen. Übergeordnete Planungsbeiräte, beispielsweise auf Basis regionaler Kreisjagdbeiräte, sind notwendig, damit alle Akteure des ländlichen Raumes einbezogen werden. Berücksichtigt werden beispielsweise Nahrungsverfügbarkeit für Wildtiere sowie deren Nutzung von Wald- und Feldhabitaten im Jahresverlauf. Ebenso werden Störungen durch Freizeitdruck (Besucherlenkung) berücksichtigt.
- Schwerpunktbejagung ist sinnvoll. Jagd muss auf Flächen mit Neuanpflanzungen und Verjüngungsflächen intensiviert werden. Hierfür müssen Jagdschneisen bereits beim Aufforsten angelegt werden, ebenso zusätzliche Ansitzeinrichtungen. Letztere sollten über die GAK-Rahmenlinie Förderbereich Forst finanziert werden. Gleichzeitig muss es temporäre Wildruhezonen in Bereichen geben, wo keine Wildschäden auftreten. Es braucht also ein lokales Jagdkonzept, das auf waldbauliche Maßnahmen sowie die Bedürfnisse des Wildes abgestimmt ist. Waldbesitzer und Jäger müssen dieses gemeinsam entwickeln.
- Jagdzeiten nicht verlängern. Im Vergleich zu Nachbarländern hat Deutschland schon heute die längsten Jagdzeiten auf Reh- und Rotwild. Eine weitere Ausdehnung der Jagdzeiten löst nicht den Forst-Jagd-Konflikt. Das zeigen die Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren. Es geht darum, wildbiologische Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und die bestehenden Jagdmöglichkeiten auszuschöpfen. Der Tierschutz muss gewahrt bleiben.
- Öffentliche Hand hat Vorbildfunktion. Bund, Länder und Kommunen müssen in ihren Wäldern zeigen, wie sich wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen lassen. Es ist zu überprüfen, welche jagd- und waldbaulichen Konzepte regional funktionieren. Die pauschale Forderung nach verstärktem Abschuss von Reh- und Rotwild wird diesem Anspruch nicht gerecht.
- Mehr Personal für den Waldumbau. Der Rationalisierungs- und Kostendruck in der Forstwirtschaft hat seit den 1990er Jahren zu einem massiven Stellenabbau in den Forstbetrieben geführt – bis zu 70 Prozent. Maßnahmen zur Kultursicherung und -pflege, die ehemals zur "guten forstlichen Praxis" gehörten, werden heute nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr durchgeführt. Auch hier hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion, eine Ausbildungsinitiative ist notwendig. Die Aufforstung von 245.000 Hektar Fläche mit etwa 6 Milliarden Bäumen gelingt nur, wenn geschultes Forstpersonal gemeinsam mit Jägern die Jungpflanzen schützt.
- Aus- und Fortbildung stärken. Im Bereich Jagd müssen Aspekte einer waldverträglichen Jagd verstärkt vermittelt werden und dabei neben den ökologischen Zusammenhängen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen vermittelt werden, in den sich die Bewirtschaftung des Waldes als volkswirtschaftliche Ressource bewegt. Im Bereich Forst muss ein Fokus künftig auf die Gesamtsicht des Ökosystems Wald und damit auch auf wildverträgliches Wirtschaften gelegt werden. Waldbewirtschaftung und Jagd, Flora und Fauna des Waldes, müssen zusammen und unter Abwägung verschiedener Ansprüche gedacht werden. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse müssen im Rahmen der jeweiligen Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden.
Situation
Die Gämse ist im gesamten Alpenbogen natürlich verbreitet und lebt dort in Abhängigkeit von der Jahreszeit in Höhen von etwa 700 bis 2000 m ü. NN; höhere Lagen (Matten- und Felsregion) sind besonders während der schneefreien Zeit bevorzugt. Weitere Vorkommen der Alpengämse in Deutschland finden sich im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb und in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Für die Vorkommen in Baden-Württemberg lässt sich die Autochthonie historisch belegen. Die zwischenzeitlich ausgerotteten Bestände wurden aber durch Aussetzungen Anfang des 20. Jahrhunderts und in den 1930er und 1950er-Jahren neu begründet. Fernwechsel zwischen den Alpen und den Vorkommen in Baden-Württemberg sind belegt (Linderoth 2005).
Die Gämse lebt in Sozialverbänden, deren Zusammensetzung und Größe sich im Jahreslauf ändern. Für den Bestandserhalt sind das Geschlechterverhältnis und die Altersstruktur von entscheidender Bedeutung.
Die Listung in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) im Anhang V ist mit der Verpflichtung verknüpft, einen günstigen Erhaltungszustand für diese Art sicher zu stellen. Mittels Monitoring muss der Erhaltungszustand der Gämse systematisch überwacht und regelmäßig überprüft werden, indem Daten zur Verbreitung, zum Zustand der Populationen und zu möglichen Gefährdungsursachen gesammelt und analysiert werden. Dieses Monitoring bietet auch die Voraussetzung für eine nachhaltige Bejagung dieser Schalenwildart. Es wird bisweilen jedoch nur in wenigen Regionen vorgenommen. Die Gämse gehört zu den im Alpenraum lebenden Arten der FFH-RL, die dem Jagdrecht unterliegen und sie wird regelmäßig und teilweise intensiv bejagt (Lang et al. 2016). Auch im Nationalpark Berchtesgaden findet eine Bestandsregulation außerhalb der Kernzone statt.
Rückgangsursachen und Konfliktbereiche
- Durch Freizeitaktivitäten (z.B. Skifahren, Schneeschuhwandern, Skitouren, Gleitschirmfliegen, Wandern, Drohnenfliegen) in ihrem Lebensraum wird das Raum-Zeit-Verhalten der Gämse gestört. Dabei sind Menschen, die sich abseits der Wege bewegen oder Störungen im Luftraum für Wildtiere schlechter einschätzbar und lösen im Vergleich zu weggebundenen und regelmäßig auftretenden Störungen höhere Fluchtdistanzen aus. Werden Wildtiere bei der Nahrungsaufnahme gestört, vermindert das ihre Energiezufuhr. Zudem erhöht das Ausweichen von der Störquelle (Fluchtverhalten) den Energieverbrauch. Ein erhöhter Energieverbrauch kann insbesondere während der nahrungsarmen Zeit im Winter vor allem für junge und alte Individuen lebensbedrohlich sein. So zeigte eine Studie aus der Schweiz, dass das Auftreten eines Gleitschirms bei Gamsgeißen eine Fluchtdistanz bis zu 900 m auslöste und die Gämsen bis zu vier Stunden im Wald verblieben (Schnidrig & Ingold 2001). Solche Störungen können somit die Waldschadenslage verschärfen.
- Der Wald ist ein natürlicher Bestandteil im Lebensraum der Gämse, die als Pflanzenfresser Einfluss auf die Vegetation nimmt. Der Verbiss an Gehölzen kann je nach Ausmaß und waldbaulicher Zielsetzung Schäden verursachen. Insbesondere im Bereich des Objektschutzwaldes stellt ein zu hoher flächiger Ausfall von Jungbäumen ein Konfliktpotenzial dar, da bei einem Fehlen des Waldes durch mögliche Lawinenabgänge und Hangrutschungen Siedlungen und Verkehrswege gefährdet werden. Daher wird versucht Gebiete der vordringlichen Schutzwaldsanierung möglichst wildfrei zu halten und in der Konsequenz wird dort auch Gamswild intensiv bejagt.
- Die menschliche Nutzung (Almwirtschaft, Forstwirtschaft) verändert den Lebensraum. Die Almwirtschaft beispielsweise schafft attraktive Wildlebensräume außerhalb des Waldes. Von diesem Äsungsangebot profitiert auch die Gämse. Allerdings können lange Beweidungsphasen und die Anwendung von Elektrozäunen dieses Äsungsangebot manchmal deutlich einschränken.
- Populationsverluste sind nicht nur durch Witterung (z.B. Lawinen) und Krankheiten (z.B. Gamsblindheit) bedingt, sondern auch durch den Einfluss von Großprädatoren wie den Luchs. Eine Schweizer Studie belegt, dass der Luchs überwiegend Kitze, Jährlinge und alte Gämsen jagt und ein sesshafter Luchs durchschnittlich 1 Gämse pro 2,9 km² und Jahr erbeutet. Im Vergleich dazu unterschied sich der Einfluss der Jagd auf die Sterblichkeit der Gämsen, weil der Mensch vor allem erwachsene Gämsen (≥2 Jahre) erlegt. Ohne Bejagung ist die Überlebenswahrschein-lichkeit von erwachsenen Gämsen natürlicherweise hoch. Weiterhin zeigte die Studie, dass nach einem harten Winter mit hoher Kitzsterblichkeit die zusätzliche Mortalität von nur wenigen erwachsenen Geißen eine Abnahme der Gamspopulation induziert (Vogt et al. 2019).
- Die Jagd ist ein weiterer wichtiger Mortalitätsfaktor, wobei die Vorgaben aus den jagdlichen Richtlinien (Jagd- und Schonzeiten, Altersklassifizierung) einen maßgeblichen Einfluss auf die Größe, das Geschlechterverhältnis sowie die Altersstruktur einer Gamspopulation ausüben. Eine Analyse von Streckendaten aus dem Lechquellgebiet zeigt, dass in forstlich sensiblen Bereichen Böcke der Jugendklasse (1-3 Jahre) bis zu 50% des Gesamtabschusses ausmachten und 50% aller Böcke außerhalb des Abschussplans erlegt wurden. Unter der Prämisse die Gams in diesen Arealen als „Schadwild“ fernzuhalten, werden durch Ausschlussgebiete von Gämsen und Schonzeitaufhebungen Streckenerhöhungen erreicht (Deck 2018). In Bayern soll im Rahmen der Schonzeitaufhebung nur eine punktuelle Vergrämung auf sensiblen Schutzwaldsanierungsflächen erreicht werden. Eine Absenkung des Gesamtbestandes wird abgelehnt.
- Die FFH-Richtlinie fordert in Artikel 11, dass der günstige Erhaltungszustand systematisch und regelmäßig überwacht wird. Da aufgrund der FFH-Richtlinie ein Verschlechterungsverbot gilt, darf die Bejagung nicht zur Gefährdung oder gar dem Erlöschen von Populationen führen. Voraussetzung für eine nachhaltige Nutzung der Gämse ist ein regelmäßiges Monitoring, das eine solide Datengrundlage schafft, um den günstigen Erhaltungszustand dieser Art zu überwachen. Ein solides Monitoring wird zurzeit nur sehr vereinzelt durchgeführt.
Forderungen des DJV
- Der zunehmende Nutzungs- und Freizeitdruck übt massive Störungen auf die Gamspopulationen aus. Saisonale Einstandsgebiete der Gämse und entsprechende Störeinflüsse müssen identifiziert und analysiert werden. Bei der Entwicklung von Freizeitangeboten im Lebensraum der Gämse sind die Bedürfnisse einer artgerechten Lebensweise der Gämse und anderer Wildarten ganzjährig zu berücksichtigen. Auf regionaler Ebene sind wildökologische Raumplanungen gefordert, um im Sinne des Wildtiermanagements die Lebensraumansprüche der Gämse mit den Nutzungsinteressen des Menschen in ein naturverträgliches Verhältnis zu bringen.
- Die Gämse muss im Gebirge mit härtesten Umweltbedingungen zurechtkommen, dies gilt besonders im Winterhalbjahr. Daher sind geeignete ungestörte Überwinterungshabitate in Südlagen auszuweisen d.h. Wildruhezonen, die frei von jeglicher Nutzung (Jagd, Wintersport u.ä.) sind. Initiativen wie die des Deutschen Alpenvereins „Skibergsteigen umweltfreundlich“ oder aus Österreich „Repektiere deine Grenzen“ haben hier Vorbildcharakter. Besonders auch in Zeiten ohne Schnee ist es wichtig, Wildruhezonen als Rückzugsgebiete, insbesondere in den Hochlagen, zu erhalten oder zu schaffen. Nur dort kann die Gämse dann ungestört Nahrung aufnehmen, ohne ständig in den Wald gedrückt zu werden, wo sie zwangsläufig Verbiss verursacht. Die positiven Beispiele aus Österreich und der Schweiz bzgl. der Ausweisung von Wildruhezonen und der Einschränkung des freien Betretens der Natur belegen einen deutlichen Rückgang des Wildverbisses durch Gämsen im Wald (BJV 2016).
- Unter der Prämisse der Schutzwaldsanierung erfolgt in vielen Sanierungsgebieten eine intensive Gamsbejagung mit Schonzeitaufhebung. Zudem schließen großräumig ausgewiesene Sanierungsgebiete oft den Winterlebensraum der Gämse ein. Auf diesen Flächen kollidieren die Ziele der Schutzwaldsanierung in vielen Fällen mit den Zielen des Tierschutzes, Biotop- und Artenschutzes, des Tourismus und der Waldweide. Daher ist eine kritische Überprüfung der Zielstellungen und der Schonzeitaufhebung in diesen Gebieten dringend gefordert.
- Die Gämse darf als FFH-Art, Anhang V, nur unter bestimmten Voraussetzungen jagdlich genutzt werden. Daher lehnt der DJV ein dauerhaftes Aussetzen einer Abschussplanung, die als Teil des Managementplans angesehen werden kann, ab. Jagdliche Richtlinien sind auf der Grundlage wildbiologischer Kenntnisse zu entwickeln. Damit eine natürliche Alters- und Geschlechterstruktur aufrechterhalten wird, ist eine Bejagung der einzelnen Altersklassen gefordert, die der natürlichen Sterblichkeit von unbejagten Populationen ähnelt. Der Abschussnachweis, d.h. die Streckenliste, ist den Vorgaben entsprechend bei beiden Geschlechtern auf Jugend-, Mittel- sowie Altersklasse vorzunehmen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist eine Korrektur der Altersklasseneinteilung:
Klasse | Bock | Geiß |
---|---|---|
Kitzklasse | 0 | 0 |
Jugendklasse | 1-2 | 1-2 |
Mittelklasse | 3-10 | 3-12 |
Altersklasse | 11+ | 13 |
Das Geschlechterverhältnis muss im Abschussplan 1:1 sein.
- Ein Großteil des Abschusses sollte im August und September erfolgen, da in dieser Zeit das Gamswild in der Sommerdecke leichter angesprochen werden kann und führende Geißen besser erkennbar sind. Zudem ist dringend ein überhöhter Eingriff in die Mittel- und Altersklasse der Böcke zu vermeiden, da dadurch der Gesamtbestand negativ beeinflusst wird. Gemäß der Hege- und Bejagungsrichtlinie ist die mittlere Altersklasse weitestgehend zu schonen. Nur dann können genügend Stücke in die oberste Altersklasse einwachsen, was bei langlebigen Wildarten wie Rot- und Gamswild für das Sozialgefüge notwendig ist. Gibt es in einer Population zu wenig alte Böcke, ist das Brunftgeschehen gestört. Zum einen verausgaben sich die jungen Böcke aus Konkurrenzgründen stark, was zu einer hohen Wintersterblichkeit führt. Zum anderen werden nicht alle Geißen beschlagen und das Brunftgeschehen zieht sich über einen längeren Zeitraum hin. Die später gesetzten Kitze haben weniger Zeit Reserven aufzubauen und gehen mit schlechterer Kondition in den Winter, was in der Kitzklasse die Sterberate erhöht.
- Die Verlustquote verursacht durch Prädation (z.B. Luchs) und durch Wintersterblichkeit muss bei der Abschussplanung berücksichtigt werden.
- Vor dem Hintergrund der Wildschadensproblematik im Wald und den zu beobachtenden Bestandsrückgängen der Gämse fordert der DJV die Zusammenarbeit mit anderen Landnutzern. Durch ein Angebot ausreichender Äsungsflächen können Wildschäden im Wald verhindert werden. Der Erhalt der Almwirtschaft und die Bewirtschaftung von Almflächen oberhalb der Baumgrenzen spielen hier eine große Rolle. Es sollten einzelne Almflächen bereits Anfang September aus der Beweidung genommen werden, damit das Gamswild außerhalb des Waldes Äsung findet. Zu beachten ist allerdings, dass die staatliche Weideprämie nur bei einer Weidezeit von vier Monaten frühestens ab dem 15. Mai vollständig ausbezahlt wird (KULAP 2019 B60).
- Nur durch ein solides Monitoring, das die Grundlage für ein Wildtiermanagement ist, kann eine nachhaltige Nutzung der Gämse gewährleistet werden. Da auf Zählungen unkalkulierbare Faktoren (Wetter am Zähltag, Wildaktivität) Einfluss nehmen, aber auch grundsätzlich hemmende Faktoren wie Geländestruktur und Bestockung des Lebensraumes bestehen, sind Zählungen alleine für eine Bestandseinschätzung ungenügend.
Aus Sicht des DJV muss das Monitoring folgende Anforderungen erfüllen:
Die Erfassung der Population sollte aus einer Kombination von Jagdstreckendatensammlung, Kohortenanalyse und Experteneinschätzung vorgenommen werden. Genetische Verfahren und Einsatz von Wildkameras können die Populationsschätzung in kleineren Vorkommensgebieten unterstützen (Herzog 2019).
Über die räumliche Erfassung der Abschüsse sowie weiterer Fallwildfunde (z.B. Tierfundkataster) kann auch in regelmäßigen Abständen die Verbreitung der Populationen erhoben werden (MLR 2019).
Die Festlegung der Abschusspläne muss sich an den Monitoringergebnissen orientieren. Reviere, die sich wiederholt nicht am Monitoring beteiligen, sollten von der Abschusszuteilung ausgeschlossen werden.
Zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Gams ist es erforderlich Bestandsentwicklungen auch auf regionaler Ebene einschätzen zu können. Hierzu sollten in einem maximal 3-jährigen Rhythmus die lokalen Monitoringergebnisse zusammengeführt werden.
Quellen:
BJV Bayrischer Jagdverband, (Hrsg.; 2016): Heimatwild Alpengams nachhaltig erhalten. Symposium 27. und 28. Oktober 2016, Kufstein. Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e.V.; Band 24.
Bayrisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.; 2019): Bayerisches Kultur Landschaftsprogramm (KULAP) Merkblatt B60 – Sommerweidehaltung (Weideprämie).
Deck, O. (2018): Gamsfreiheit - Zielkonflikte in Gamswildlebensräumen im Lechquellengebirge und deren Auswirkungen auf den Gamsbestand. Masterarbeit. Universität für Bodenkultur Wien.
Deutsche Wildtierstiftung (2018): Schutzwaldsanierung im Gamsrevier – Beispiele für Zielkonflikte.
Herzog, S. (2019): Wildtiermanagement, Grundlagen und Praxis. Quelle& Meyer Verlag, Wiebelsheim, S. 38-59.
Ingold, P.; Boldt,A.; Bächler, E.; Enggist,P.; von Arx,M.; Willisch, C. (2002): Tourismus und Wild. Schlussbericht 1997 – 2002. Arbeitsgruppe Ethologie und Naturschutz, Zoologisches Institut, Universität Bern.
Lang,J.; Miller, C.; Kinser, A. (2016): Der Anhang V der FFH-Richtlinie – Bedeutung und Konsequenzen für jagdbare Arten. Workshop – abstract. Gamssymposium Kufstein 27.-28.10.2016.
Linderoth, P. (2005): Gamse Rupicapra rupicapra (Linnaeus, 1758). In: Braun, M.; Dieterlin, F. (Hrsg.): Die Säugetiere Baden-Württembergs. Band 2, Ulmer Verlag, Stuttgart.
MLR 2019: Wildtierbericht für Baden-Württemberg 2018, Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (Hrsg.), Stuttgart.
Reimoser, S. (2013): Störung von Rot- und Rehwild. Teil 1-4. Weidwerk Nr. 9-12.
Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Abl. EG Nr. L 305/42) [Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, FFH-RL].
Schnidrig-Petrig, R.; Ingold, P. (2001): Effects of paragliding on alpine chamois Rupicapra rupicapra rupicapra. In: Wildlife Biology 7 (1), S. 285–294. DOI: 10.2981/wlb.2001.033.
Vogt, K.; Signer, S.; Ryser, A.; Schaufelberger, L.; Nagl, D.; Breitenmoser, U.; Willisch, C. (2019): Einfluß von Luchsprädation und Jagd auf die Gämse – Teil 1 und 2. Bericht in Zusammenarbeit mit dem Jagdinspektorat Bern. Kora Bericht Nr. 84, Kora, Muri bei Bern.
Zandl, S.& M. (2017): Almwirtschaft schafft Wildlebensräume. Salzburger Bauer 10. August 2017: 8,9.
Wälder liefern den natürlichen Rohstoff Holz, sind bedeutend für Klima-, Erosions- und Wasserschutz sowie Erholung. Sie sind wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Dürre, Waldbrände, Schädlinge und Stürme haben dem deutschen Wald in den vergangenen Jahren sehr zugesetzt. Als Lösung wird ein großflächiger Umbau hin zu klimastabilen Mischwäldern angesehen. Verschiedene Seiten fordern deshalb, dem Waldumbau Vorrang gegenüber dem Wild einzuräumen und Wildbestände drastisch zu reduzieren. Der DJV kritisiert diese einseitige Sichtweise. Trotz extrem angestiegener Strecken in den vergangenen vier Jahrzehnten hat sich das Waldbild bundesweit gesehen kaum verändert.
Die rund 384.500 Jäger nehmen ihre Verantwortung ernst und erfüllen zumeist staatliche Abschusspläne: Allein im vergangenen Jagdjahr haben sie knapp 1,2 Millionen Rehe und 77.000 Rothirsche erlegt. Nach wie vor dominieren allerdings die besonders anfälligen Arten Fichte und Kiefer den Wald. Insgesamt machen Nadelbäume immer noch 56 Prozent des Gesamtbestandes aus - die erwünschte Mischung hin zu mehr Laubbäumen ist nur marginal erfolgt. Der Anteil von Laubbäumen stieg laut Bundeswaldinventur von 2002 bis 2014 um 7 Prozent. Ratlos erkennen die Forstleute derzeit zudem, dass die Buche, auf die man verstärkt beim Waldumbau gesetzt hat, offenbar nicht die gewünschten klimaplastischen Eigenschaften hat. Deutschlandweit kommt es derzeit zu einem Absterben von Altbuchenbeständen infolge des Klimawandels.
Die Jagd kann einen Beitrag zum Waldumbau leisten, aber die verstärkte Bejagung von Reh und Rotwild allein ist keine Lösung, sondern nur ein Instrument. "Waldumbau mit der Büchse" ist zu kurz gedacht. In den Wäldern der öffentlichen Hand läuft der Waldumbau seit über 30 Jahren. Ebenso lange wird dort von überhöhten Wildbeständen gesprochen. Diese Tatsache wirft die Frage auf, warum die verantwortlichen Akteure die Situation nicht in den Griff bekommen oder ob es dieses Problem vielleicht gar nicht gibt. Der DJV fordert Bund und Länder auf, in ihren Wäldern, die etwa die Hälfte der Waldfläche Deutschlands ausmachen, ihrer Vorbildfunktion für den Waldumbau gerecht zu werden und Lösungen in Zusammenarbeit mit der Jägerschaft aufzuzeigen und umzusetzen.
Schadgeschehen durch Insekten wie den Borkenkäfer finden bevorzugt in Schutzgebieten statt, zum Beispiel im Harz. Schadholz wird dort nicht entfernt und begünstigt weiteren Schadbefall, auch in den umgebenden Wirtschaftswäldern. Zukunftsweisende Waldkonzepte müssen künftig auch Schutzgebiete im Staatswald einbeziehen. Der DJV fordert deshalb, entsprechende Schutzgebietsverordnungen zu überarbeiten: Die Bekämpfung von Schadinsekten und Jagd müssen überall in Deutschland möglich sein.
Aktuelle Großbrände auf ehemaligen Truppenübungsplätzen, die in der Regel auch Schutzgebiete sind, zeigen: Bund und Land müssen Korridore für die Brandbekämpfung schaffen, die frei sind von gefährlichen Munitionsresten.
Artenvielfalt im Wald ist nicht auf wenige, zumeist wirtschaftlich interessante Baumarten beschränkt. Sie schließt Sträucher und krautige Pflanzen ebenso wie Tierarten ein. Wälder müssen geeignete Lebensräume für Wildtiere sein, ein verantwortungsbewusster Waldumbau kann deshalb nur unter der Prämisse „Wald mit Wild“ erfolgen. Das Ökosystem Wald definiert sich auch im „Wirtschaftswald“ über Vegetation, Tierwelt, das gesamte Nahrungsnetz und die herrschenden abiotischen Faktoren wie Niederschlag, Temperatur oder Nährstoffversorgung.
Wildschäden hängen von vielen Faktoren ab
Wildtiere, auch Schalenwild, finden im Wald Rückzugsräume und Nahrung. Sie nehmen positiven Einfluss auf die biologische Vielfalt, indem sie z.B. Samen verbreiten und durch die natürliche Nahrungsnutzung krautiger und holziger Pflanzen Lebensräume für seltenere Arten mitgestalten. Diese natürlichen Einflüsse auf das Ökosystem sind kein Wildschaden. Dieser definiert sich als Kollision unterschiedlicher menschlicher Nutzungsansprüche und den Bedürfnissen von Wildtieren. Ein für beide Seiten tragbarer Kompromiss erfordert immer eine lokale Analyse der Wildschaden verursachenden Faktoren und ein gemeinsames lokales Handeln.
Allein durch den verstärkten Abschuss von Pflanzenfressern wie Reh und Rothirsch können Verjüngung und Ziele des Waldumbaus nicht erreicht werden. Verschiedene Faktoren beeinflussen das Auftreten und den Umfang von Wildschäden (Verbiss, Fege- und Schälschäden an Bäumen) im Wald:
- Alternatives Nahrungsangebot: Kraut- und Strauchvegetation fehlen vielerorts in Wäldern, würden aber Nahrung für Reh und Rothirsch bieten.
- Wildruhezonen: Durch einen zonal uneingeschränkten Nutzungsdruck (Forst-, Jagd- und Freizeitaktivitäten) findet das Wild zu wenige notwendige Rückzugsorte.
- Lokales Raum-Zeitverhalten der Wildarten: Der Lebensraum vieler Wildtiere umfasst Wald und Feld gleichermaßen, die landwirtschaftliche Fläche ist für sie besonders im Winter unattraktiv. Das Risiko von Wildschäden im Wald steigt wegen fehlender Deckung und Nahrung in der Feldflur in dieser Zeit.
- Jagdkonzepte: Unzureichende Kommunikation zwischen Waldeigentümer und Jäger über waldbauliche Ziele und Jagdkonzepte (z.B. lokale Schwerpunkte für die Bejagung gemeinsam festlegen, großangelegte Revier übergreifende Bewegungsjagden).
- Forstbetriebsmanagement: Derzeitiger Personalmangel erschwert Schutz, Kontrolle und Pflege von Neupflanzungen. In 25 Jahren hat sich beispielsweise die Zahl der Förster in Deutschland halbiert.
- Anwesenheit von großen Raubsäugern: Wolf und Luchs breiten sich in Deutschland weiter aus und beeinflussen das Verhalten des Wildes und dessen Bejagbarkeit.
Forderungen des DJV
- Wildökologische Aspekte müssen bereits in der forstlichen Planung Berücksichtigung finden. Dies betrifft z.B. die Baumartenmischung, Walderschließung und forstliche Pflegemaßnahmen. Begleitend zu waldbaulichen Maßnahmen müssen jagdliche Eingriffe beim Schalenwild erfolgen. Die jetzige Situation bietet auch die Chance, im Wald unbejagte Äsungsflächen anzulegen, um den Verbissdruck auf die neu entstehenden Kulturen zu verringern.
- Eine Beurteilung von „angemessenen“ Schalenwilddichten nur auf Basis von „Verbissprozenten“ ohne Analyse des real zur Verfügung stehenden Lebensraums ist nicht geeignet die Forst-Jagd-Frage zu lösen. Für eine objektive Schadensbewertung und Einschätzung eines tragbaren Wildbestandes muss wenigstens ansatzweise die Lebensraumqualität nach folgenden Kriterien bewertet werden:
- Deckungsschutz
- Äsungsangebot im Sommer- und Winterhalbjahr
- Störung der Raumnutzung des Wildes durch menschliche Aktivitäten
- Zerschneidung des Wildlebensraums, insbesondere durch Siedlungen und Infrastruktur
- Wildtiere wie Reh und Rothirsch, Bilche, Feldhasen, Eichhörnchen oder Mäuse gehören zum Ökosystem Wald. Der DJV fordert, dass bei einem Umbau hin zu klimastabilen Wäldern Rückzugs- und Nahrungsräume für Wildtiere neben den menschlichen Nutzungsinteressen berücksichtigt werden müssen.
- Wildruhezonen schaffen: Das freie Betretungsrecht des Waldes sollte eingeschränkt werden. Ein Wegegebot beeinträchtigt nicht die Erholungsfunktion des Waldes für den Menschen. Eine Leinenpflicht für Hunde muss im Wald selbstverständlich sein. Ziel sind störungsarme Rückzugsräume für Wildtiere.
- Mut zur Lücke: mosaikartig Flächen mit Kraut- und Strauchvegetation einer natürlichen Entwicklung überlassen - ohne ökonomische Interessen. Dies fördert die Artenvielfalt und die natürliche Äsung. In diesem Kontext ist auch die natürliche Entwicklung von Waldaußen- und -innenränder zu sehen.
- Jagdschneisen sollten bei großflächigen Neuanpflanzungen angelegt werden. Durch intensive Jagd kann der Verbissdruck auf gefährdeten Verjüngungsflächen (z.B. nach Sturmereignissen) gesenkt werden.
- Mehr Personal für Waldumbau: der Rationalisierungs- und Kostendruck in der Forstwirtschaft hat seit den 1990er Jahren zu einem massiven Stellenabbau in den Forstbetrieben geführt. Maßnahmen zur Kultursicherung und -pflege, die ehemals zur "guten forstlichen Praxis" gehörten, werden heute nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr durchgeführt. Der DJV begrüßt deswegen die Forderungen von Politik und forstwirtschaftlichen Interessenvertretern nach mehr Personal im Wald.
- Die Aus- und Fortbildung im Bereich Jagd im Hinblick auf waldverträgliches Jagen, sowie im Bereich Forst im Hinblick auf wildverträgliches Wirtschaften ist zu intensivieren.
- Die Energiewende ist grundsätzlich im Interesse aller Umwelt- und Naturschutzverbände. Beim Ausbau erneuerbarer Energien werden für Windkraft verstärkt Waldstandorte in Betracht gezogen. Der mit der Errichtung verknüpfte Flächenverbrauch (ca. 5000 Quadratmeter pro Einzelanlage) führt insbesondere in altersgleichen Forstmonokulturen zu einer Destabilisierung der Bestände gegenüber Stürmen oder Schadinsektenbefall. Weiterhin gefährden Windkraftanlagen im Wald besonders Fledermäuse und zahlreiche Vögel, auch seltene Arten wie Schwarzstorch und Uhu. Betroffen sind ebenso Greifvögel wie Rotmilan, für dessen Schutz Deutschland eine besondere Verantwortung hat, da hierzulande etwa 60 Prozent des weltweiten Bestands dieser Rote-Liste-Art leben. Aus Sicht des DJV erfordert die Windenergienutzung im Wald eine qualifizierte Auswahl von Ausschluss- und Vorranggebieten, die kumulative Auswirkungen von Windparks auf regionale Populationen berücksichtigt. Fragen des Natur- und Artenschutzes müssen im Rahmen einer ökologischen Raumplanung auf Basis einheitlicher Kriterien geklärt werden.
Weltweit gefährden invasive gebietsfremde Arten (IGA) die biologische Vielfalt: Sie konkurrieren erfolgreich mit heimischen Arten um Nahrung und Lebensraum und fressen diese. Zudem können IGA neue Krankheitserreger und Parasiten einschleppen oder bestehende Seuchenzyklen verstärken. Weiteres Gefährdungspotenzial: Hybridisierung durch Verpaarung mit heimischen Arten. Deutschland muss deshalb die "EU-Verordnung Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten" umsetzen. Da invasive Arten keine Ländergrenzen kennen, erfordern effektive Prävention und Eindämmung ein bundesweit abgestimmtes Management.
Die Jagd hat eine besondere Bedeutung: Durch das Revierjagdsystem sind Jäger die einzige, flächendeckend organisierte Gruppierung, die auf Basis staatlich geprüfter und nachgewiesener Qualifikation in Wildtierbestände eingreifen darf. Sie verfügen über Ortskenntnis, die für effektive Maßnahmen erforderlich ist. Intensive Bejagung hilft, Populationen etablierter, weit verbreiteter Arten (z.B. Waschbär) im Sinne der EU-Verordnung einzudämmen. Durch eine Bejagung mit Waffe und Falle können Jäger zudem eine weitere Verbreitung lokal bereits etablierter IGA unterbinden oder stark eindämmen, wie dies beispielsweise für die Nutria gilt.
Für eine konsequente Umsetzung der EU-Verordnung zum Management invasiver Arten sieht der DJV folgende Punkte als elementar an:
1. Der Jäger ist erster Ansprechpartner, wenn es um die Eindämmung von Waschbär, Marderhund und Co. geht.
Die Jagd ist ein wirkungsvolles tierschutzgerechtes Instrument des Wildtiermanagements und daher bei der Umsetzung der EU-Verordnung für das Management invasiver Arten unerlässlich. Revierinhaber sind erste Ansprechpartner für die Umsetzung dieser öffentlichen Aufgabe. Da der Einsatz von Fanggeräten und Schusswaffen zum Eingriff in diese Wildtierbestände unerlässlich ist, sind die Jagdausübungsberechtigten in jedem Fall einzubeziehen, wie auch im Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesjagdgesetz (§ 28a) anlässlich der Umsetzung der EU-Verordnung klargestellt wurde. Die zuständigen Behörden müssen sich mit ihnen im Vorfeld abstimmen. Nur wenn ein Jagdausübungsberechtigter die Aufgabe nicht wahrnehmen kann, dürfen Behörden in Absprache nach anderen Lösungsmöglichkeiten suchen.
Andererseits müssen sich die Revierinhaber auch ihrer Verpflichtungen bewusst sein: Der Umgang mit invasiven Arten kann in besonderem Maße ein abgestimmtes Vorgehen erfordern. Ein Revierinhaber darf sich daher nicht grundlos der Zusammenarbeit verweigern. Die Jägerschaft ist aufgerufen, konkrete Projekte vor Ort, in Abstimmung mit allen weiteren Beteiligten (z.B. Behörden, Land- und Forstwirtschaft, Wasser- und Bodenverbänden sowie anderen Naturschutzverbänden) und mit finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand, zu entwickeln und umzusetzen.
2. Unnötige Einschränkungen der Jagd erschweren die Umsetzung der
EU-Verordnung und müssen aufgehoben werden.
Arten der Unionsliste wie Waschbär, Marderhund, Nutria oder Nilgans sowie Arten, deren Invasivität in Fachkreisen unbestritten ist und die daher Listenanwärter sind, wie z.B. Mink, müssen in allen Bundesländern jagdbar sein. Eine wirkungsvolle Eindämmung und Reduzierung invasiver gebietsfremder Arten gelingt nur, wenn diese als Wild definiert sind oder ganzjährig jagdliche Eingriffe auf andere Weise möglich sind.
Beschränkungen in der Jagd wie ein Verbot der Fangjagd oder eine Schonzeit für invasive Arten sind für eine wirkungsvolle Umsetzung der EU-Verordnung kontraproduktiv und auch im Sinne des Tierschutzes nicht erforderlich.
Der im Bundesjagdrecht über § 22 Abs. 4 geregelte Elterntierschutz gilt für alle jagdbaren Arten, auch für invasive gebietsfremde Arten. Er gilt auch in der Jagdzeit, daher ist eine zusätzliche Schonzeit nicht nötig; im Gegenteil befördert eine längere Schonzeitphase den Populationsanstieg invasiver Arten und erhöht damit die Gefährdung für heimische Arten.
Die über die Jagdrechte bzw. Fangjagdverordnungen der Länder zugelassenen Fanggeräte erfüllen bei sachgerechter Anwendung in hohem Maße die Anforderungen des Tierschutzes. Darüber hinaus regelt das Bundesjagdgesetz die Grunderfordernisse moderner Fangjagd (§19 Abs. 1 Nr. 9): Fanggeräte, die nicht unversehrt fangen oder sofort töten sind verboten. Vor allem bei dämmerungs- und nachtaktiven Tieren wie Waschbär und Marderhund trägt die Fangjagd ganz entscheidend zur Populationsreduktion bei.
3. Bejagungsverbote in Siedlungsgebieten und in Schutzgebieten müssen aufgehoben werden.
Die EU-Verordnung zum Management invasiver gebietsfremder Arten sieht vor, bereits bestehende Populationen zu reduzieren und eine Ausbreitung zu verhindern. Dies ist nur möglich, wenn die Bejagung flächendeckend durchgeführt wird – also auch in Siedlungsräumen und in Schutzgebieten. Einige Arten bevorzugen sogar besiedelte Gebiete (z.B. der Waschbär). Darüber hinaus kann ein Jagdverbot in Schutzgebieten den eigentlichen Zweck des Areals, Rückzugsräume für bestandsbedrohte Arten zu bieten, sogar behindern, da sie auch dort durch invasive Arten gefährdet werden.
4. Personelle und finanzielle Ressourcen müssen effektiv für die Reduktion invasiver, gebietsfremder Arten eingesetzt werden.
Die EU-Liste für invasive gebietsfremde Arten wird nach wissenschaftlichen Kriterien unter Einbeziehung internationaler Experten erstellt. Eine nochmalige Bewertung einer Art wie des Waschbären durch nationale Forschungsprojekte ist daher überflüssig und Ressourcenverschwendung. Vielmehr sollten die bestehenden Strukturen genutzt und finanziell unterstützt werden, um eine effektive Reduzierung invasiver gebietsfremder Arten voranzutreiben. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Nutzung gefangener Tiere gefördert und die Beschaffung von Fangsystemen gefördert wird.
5. Nichtjagdliche Maßnahmen müssen praktikabel und wirkungsvoll sein.
Es kann lokal sinnvoll sein, neben der Bejagung zusätzliche Maßnahmen für das Management invasiver gebietsfremder Arten anzuwenden. Beispielsweise mindern Zäune um Laich- und Brutgewässer oder Schutzmaßnahmen an Horstbäumen und Nistkästen die Verluste durch Prädation. Im Gegensatz dazu ist die "Unfruchtbarmachung" von Neozoen, wie das von Tierschutzverbänden für den Waschbären gefordert wird, aus mehreren Gründen unsinnig. Im Jagdjahr 2017/18 haben Jäger beispielsweise 134.000 Waschbären erlegt. Abgesehen von der fehlenden Praktikabilität würde es 13 Millionen Euro kosten, dieselbe Zahl an Wildtieren zu kastrieren. Das Freilassen nach der Kastration widerspricht zudem der EU-Verordnung und verstößt gegen das Bundesjagdgesetz. Daher müssten kastrierte Tiere in Gefangenschaft gehalten werden. Mit Blick auf das Tierwohl und die Folgekosten ein fragwürdiges Vorgehen. Unabhängig von gesetzlichen Grundlagen, würden frei gelassene kastrierte Waschbären weiter auf Nahrungssuche gehen und Nestlinge und Gelege heimischer Vogelarten, Amphibien und Reptilien gefährden.
Die Anti-Baby-Pille für den Waschbären (immunologische Kontrazeption) – ein weiterer Vorschlag der Tierschutzlobby – wäre ein nicht abschätzbarer Eingriff in heimische Ökosysteme. Ohne Erfolgsgarantie: Es ist nicht steuerbar, welche Tierart die Futterköder aufnimmt und ob bei verschiedenen Individuen der Zielart die Dosierung angemessen ist. Nach Auskunft des Leibniz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) müsste man für diesen Lösungsansatz pro Tierart einem finanziellen Forschungsaufwand von etwa einer Million Euro kalkulieren.
Präambel
Zivilisation und Gesellschaft unterliegen einem permanenten Wandel. Auch die Jagd, die die gesamte menschliche Entwicklung als „Urhandwerk" begleitet hat, ist dabei vielerlei Wandlungen unterworfen. Einstmals vorrangig auf den Nahrungserwerb konzentriert, kamen im Verlaufe der Jahrhunderte immer neue Funktionen - wie unter anderem der Schutz vor wilden Tieren und vor Wildschäden - hinzu. Die Jäger mussten sich dabei stets auch den Herausforderungen ihrer Umwelt und der Gesellschaft stellen.
Jagd und Jäger stehen in der Mitte der Gesellschaft. Sie müssen den sich immer rascher vollziehenden Wandel in der Umwelt und im gesellschaftlichen Umfeld in ihrem Handeln berücksichtigen. So gehören plötzlich Arten, die noch vor wenigen Jahren annähernd verschwunden waren, zu den Gewinnern von Veränderungen, während andere Arten als Verlierer immer stärker bedroht sind. Bestandsveränderungen und Lebensraumverschiebungen führen dabei zu völlig neuen Herausforderungen für die Jagd. Tierarten wie der Wolf, der Biber oder viele sogenannte „invasive Arten“ erfordern heute eine differenzierte jagdliche Behandlung. Die Rückkehrer brauchen eine Begleitung und Bestandsüberwachung durch die Jägerschaft und die invasiven Arten müssen im Falle der Bedrohung der Artenvielfalt oder anderer negativer Auswirkungen zurückgedrängt werden.
Diesen Herausforderungen stehen jedoch zutiefst widersprüchliche gesellschaftliche Entwicklungen gegenüber. So werden Jagd und Jäger mit einer rasant fortschreitenden Naturentfremdung einer immer stärker urbanisierten Bevölkerung konfrontiert. Parallel dazu wächst in der Gesellschaft unverkennbar eine oftmals romantisierende Sehnsucht nach dem Landleben in vermeintlich ungenutzter Natur. Einher geht diese Entwicklung mit dem Schwinden der Kenntnis und des Verständnisses der Zusammenhänge von Natur und deren Nutzung. Auf diese Weise entfernt sich die Gesellschaft immer mehr von der Natur. In dieser Situation sieht sich die Jägerschaft in einer besonderen Verpflichtung, dieser Entfremdung durch Natur- und Umweltbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit entgegenzuwirken.
Die Jägerinnen und Jäger der Zukunft werden in deutlich stärkerem Maße als bislang Mittler zwischen Natur und Mensch sein müssen. Dazu gehören der Wille, sich dieser Herausforderung zu stellen, die Offenheit, sich selbst zu hinterfragen und weiterzuentwickeln und der Anspruch, die Zivilgesellschaft in den ländlichen wie in den urbanen Räumen als Partner zu begreifen. Diese partnerschaftliche Einstellung erwartet die Jägerschaft umgekehrt auch von der Gesellschaft. Hierfür sollte der offene Dialog mit anderen gesellschaftlichen Gruppen gefördert werden.
Grundlagen
Gegenstand der Jagd
Jagd ist tiefes Erleben der Natur. Aus der Freude an ihrem Tun schöpfen Jägerinnen und Jäger die Motivation, sich mit Herz und Verstand – unter Aufwendung teils erheblicher, auch finanzieller, Mittel – für Tiere und deren Lebensräume einzusetzen.
Jagd ist die natürliche und nachhaltige Nutzung des Wildbestandes (etwa durch Verzehr oder die Herstellung von Bekleidung oder Schmuck). Sie dient hierbei auch dem Artenschutz und der Biodiversität, der Verhinderung von Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft, der Bekämpfung und Vorbeugung von Tierseuchen sowie der Reduzierung der Gefahren von Wildunfällen. Die Jägerschaft nimmt verantwortungsvolle Aufgaben auf eigene Kosten im öffentlichen Interesse wahr.
Jagd ist zugleich ein Handwerk, das auf einer ethisch gut begründeten Basis – der Weidgerechtigkeit* – beruht. Sie ist Bestandteil unseres kulturellen Erbes und findet sich in bildender Kunst, Musik und Literatur wieder.
Ein wesentlicher Bestandteil der Jagd ist die Hege. Ihre Ziele sind ein artenreicher und gesunder Wildbestand sowie die Erhaltung, Verbesserung, Schaffung und Wiederherstellung der Lebensräume des Wildes. Die Hegepflicht hat sich den dynamischen Prozessen in der Natur ständig anzupassen. Hierzu gehört es, sowohl bei gefährdeten oder spezialisierten Arten (Verlierer der Kulturlandschaft) bestandsunterstützend zu wirken, aber auch bei anderen, anpassungsfähigeren Arten (Gewinnern der Kulturlandschaft) den Bestand auf einem vertretbaren Maß zu halten. Die Hegepflicht gilt nicht nur für den Jagdausübungsberechtigten, sondern auch für den Jagdrechtsinhaber, also den Grundeigentümer. Die Hege schließt die intensive Bejagung zum Erhalt der Artenvielfalt ein. Lebensraumverbesserung und die Bejagung von Beutegreifern kommen nicht nur jagdlich nutzbaren Arten zu Gute, sondern sie dienen der Förderung der Biodiversität im Allgemeinen.
Jagd und Eigentum
Die Jagd ist untrennbarer Bestandteil der Handlungsfreiheit und des Eigentums, geschützt über die Artikel 2 und 14 des Grundgesetzes. Das Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht genießen damit grundrechtlichen Schutz. Insoweit bedarf jegliche Einschränkung stets einer sachlichen Rechtfertigung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Aus dem Eigentum folgt zudem, dass grundsätzlich niemand anderem als dem Eigentümer und Jagdrechtsinhaber oder dem Jagdausübungsberechtigten ein Aneignungsrecht an wildlebenden Tieren zusteht. Aus dem Eigentum und der damit verbundenen Verpflichtung für die Umwelt sowie für folgende Generationen resultiert zudem der Grundsatz der Eigenverantwortung. Eigentum und Handlungsfreiheit verpflichten letztlich zur Wahrnehmung der Verantwortung für künftige Generationen, für das Allgemeinwohl, für den Natur- und Artenschutz und die nachhaltige Nutzung.
* Die Schreibweisen „ai“ oder „ei“ sind beide gebräuchlich.
Jagd und Qualifikation
Bevor Jägerinnen und Jäger tätig werden dürfen, müssen sie sich einer umfassenden und praxisgerechten Ausbildung sowie einer staatlichen Prüfung unterziehen. Sie müssen dabei umfangreiche Kenntnisse der Tierarten, der Wildbiologie, der Ökologie, der Wildhege, des Jagdbetriebes, der Wildschadensverhütung, des Land- und Waldbaus, der Waffenkunde, des Jagdhundewesens, der Lebensmittelhygiene sowie des Jagd-, Tierschutz- und Naturschutzrechtes nachweisen.
Jägerinnen und Jäger unterliegen einer behördlichen Kontrolle ihrer jagd- und waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und Eignung.
Die Jägerschaft ist in Verbindung mit dem bewährten Reviersystem die einzig flächendeckend organisierte Gruppierung, die auf Basis staatlich geprüfter und nachgewiesener Qualifikation in Wildtierbestände eingreifen darf. Jägerinnen und Jäger verfügen gleichzeitig über ein breites Wissen über deren Lebensräume und die in unserer Kulturlandschaft bestehenden Nutzungsformen. Darüber hinaus besteht ein breites Fortbildungsangebot der Jägerschaft.
Jagd und Natur- und Artenschutz
Jagd und Naturschutz sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander. Die Jagd führt auf Grund des Prinzips „Schutz durch Nutzung“ zu einem Gewinn für den Natur- und Artenschutz.
Eine nachhaltige jagdliche Nutzung setzt geeignete und intakte Lebensräume voraus. Die Jägerschaft hat schon deshalb ein großes Interesse daran, diese zu erhalten, zu pflegen und wiederherzustellen.
In Zusammenarbeit mit Grundeigentümern und Bewirtschaftern setzen sich Jägerinnen und Jäger mit ihrer Kompetenz flächendeckend für die Natur ein. Die Jagd ist damit für einen angepassten Naturschutz unverzichtbar. Wo zeitlich und örtlich ein strenger Schutz von Arten geboten ist, dürfen dann, wenn entsprechende Bestandsziele erreicht sind, eine angemessene jagdliche Nutzung bzw. weitergehende Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Jägerinnen und Jäger kooperieren dabei auch mit Behörden und mit nichtjagenden Naturschützern.
Zu einem zukunftsfähigen Naturschutz gehört, dass alle Maßnahmen regelmäßig überprüft, neu bewertet und ggf. angepasst werden.
Jagd und Tierschutz
Der Tierschutz hat auch für die Jagd einen vorrangigen Stellenwert. Er ist wesentlicher Bestandteil der Grundsätze der Weidgerechtigkeit, die die ethischen Grundlagen der modernen Jagd bilden. Dazu zählen insbesondere die Achtung vor dem Mitmenschen, vor dem Mitgeschöpf und vor der Umwelt. Die Einhaltung des Tierschutzes gehört zum Selbstverständnis der Jägerschaft, auch über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus. Die weidgerechte Jagd ist tierschutzgerecht und stellt einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes dar.
Tierschutz darf nicht im Sinne von „Tierrechten“ verstanden werden. Für die Übertragung menschlicher Maßstäbe auf wildlebende Tiere gibt es keinen plausiblen und fachlichen Grund. Der Tod von Lebewesen ist ein wesentliches Element der Natur. Im Gegensatz zu dem Töten durch Beutegreifer erlegen Jägerinnen und Jäger Wild mit dem Anspruch des schnellen und tierschutzgerechten Tötens und das selbstverständlich unter Beachtung des Elterntierschutzes.
Einzelfragen
Artenkatalog
Der Katalog der dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten ist nicht nur beizubehalten, sondern auszuweiten. Die Tierarten im Artenkatalog unterliegen der gesetzlichen Hegepflicht. Durch die Ausweitung profitieren weitere Arten von dem strengeren und damit besseren Schutz im Vergleich zum Naturschutzrecht.
Dem Jagdrecht unterstellt werden müssen alle wildlebenden Säugetier- und Vogelarten, deren nachhaltige Nutzung möglich oder deren Regulierung durch die Jägerschaft möglich und notwendig ist. Dies dient insbesondere der Vermeidung von Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes, der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, gesellschaftlicher Konflikte und der Prävention von Tierseuchen, sowie dem Schutz anderer Arten, deren Bestand durch Jagdrechtsinhaber und Jäger gefördert werden kann. Jägerinnen und Jäger leisten zum Schutz von Wildtieren, zur Hege und zum Wildtiermonitoring einen besonderen Beitrag.
Im Ergebnis gehören alle Arten ins Jagdrecht, die genutzt werden können, die im Rahmen der Hegeverpflichtung mit jagdlichen Mitteln zu reduzieren sind oder im Rahmen des Jagdrechts gefördert werden müssen.
Insbesondere der Artenkatalog ist Ausdruck des grundrechtlichen Schutzes der Jagd. Wegen dieses grundrechtlichen Schutzes bedürfen Eingriffe stets eines sachlichen Grundes und müssen verhältnismäßig sein. Eine ganzjährige Schonzeit stellt dabei stets ein milderes Mittel dar als die vollständige Streichung aus dem Artenkatalog.
Invasive Arten
Die Eindämmung invasiver Arten (z.B. Waschbär, Marderhund und Nilgans) ist eine gesamtgesellschaftliche und damit öffentliche Aufgabe, an der die Jagdausübungsberechtigten im Rahmen ihrer jagdlichen Möglichkeiten mitwirken. Dabei ist es unverzichtbar, dass das erforderliche Instrumentarium zur Verfügung steht, soweit es um die Eindämmung geht (insbesondere geeignete Fallen, keine Jagdruhe in Schutzgebieten, ausreichend lange Jagdzeiten, staatliche Förderungen). Allerdings hat auch bei einer stärkeren Bestandseindämmung invasiver Arten der Elterntierschutz uneingeschränkt zu gelten.
Reviersystem und Jagdnutzung
Das in Deutschland geltende Reviersystem hat sich als Instrument der Sicherung der Nachhaltigkeit der Jagd und des Ausgleichs der unterschiedlichen Interessen bewährt.
Langfristige Jagdpachtverträge sind Garant für die Umsetzung der Hegepflicht, für die nachhaltige Nutzung der Wildbestände und für die Sicherung der biologischen Vielfalt. Eine reduzierte Mindestpachtdauer hingegen verhindert ökologisch sinnvolles Wildtier- und Biotopmanagement sowie langfristig angelegte Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung und birgt zudem die Gefahr der Kommerzialisierung der Jagd zu Lasten der Tierwelt und des Naturschutzes.
Auf Grund der Tatsache, dass sich im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung verschiedene Faktoren (wie etwa eine erhöhte Mobilität im Berufsleben etc.) geändert haben, sollte jedoch eine Flexibilisierung der Mindestpachtzeiten – allerdings nur anhand bestimmter Kriterien (Entwicklung der Wildschadenssituation, Agrarstruktur, Bebauung etc.) – gesetzlich ermöglicht werden.
Nach § 6 a BJG ist ein Grundstückseigentümer aus ethischen Gründen berechtigt, als Zwangsmitglied aus der Jagdgenossenschaft auszutreten. Ein Missbrauch dieses Rechtes muss ausgeschlossen werden. Ebenso darf es keine Ausweitung auf juristische Personen geben, da sie kein individuelles persönliches Gewissen haben können.
Jagdarten und -methoden
Jagdarten und -methoden müssen flexibel angewandt und entsprechend den jagdlichen Verhältnissen unter Beachtung des Tierschutzes weiter entwickelt werden.
Um die Jagd tierschutzgerecht und revierangepasst zu ermöglichen, muss ein gewisses Spektrum an weidgerechten Jagdarten und -methoden zur Verfügung stehen. Dazu gehören insbesondere eine uneingeschränkte Bau- und Fangjagd sowie die Einzel- und die Gesellschaftsjagd. Jägerinnen und Jäger sind für die Durchführung einer effektiven und tierschutzgerechten Jagd auf ihre Jagdwaffen angewiesen.
Die eingesetzten Jagdmethoden können sich von Revier zu Revier unterscheiden. Die Entscheidung, welche Methoden wann und wo eingesetzt werden, bleibt dem verantwortlichen Revierinhaber überlassen. Dabei geben das Jagd- und Waffenrecht den Rahmen für den Einsatz möglicher Mittel und Methoden vor. Es wird nicht verkannt, dass dabei Tierschutz und Effizienz in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen können. Bei der Jagd hat allerdings der Tierschutz Vorrang vor dem unbedingten Jagderfolg.
Jagdzeiten
Die Bejagung hat sich regional und zeitlich an den Kriterien der Hegeverpflichtung zu orientieren. Grundsätzlich muss jede Art bejagt werden dürfen, deren Bestand es zulässt.
Gründe für eine Schonzeit sind in erster Linie Brut-, Setz- und Aufzuchtzeiten. Eine Aufweichung des Elterntierschutzes darf es generell und auch für invasive Arten nicht geben.
Bei Vögeln darf nicht der Brutbestand als Basis für eine nachhaltige Nutzung allein als Kriterium für eine Bejagung herangezogen werden. Ausschlaggebend sind insoweit allein der Bestand zur Jagdzeit (Zuzug im Herbst und Winter) und die Bestandssituation im eurasischen Raum.
Die Gestaltungsmöglichkeiten für eine auch im Rahmen der europäischen Naturschutzrichtlinien zulässige Bejagung sind im Jagdrecht stärker zu nutzen (z. B. Festlegung von Quoten oder Einzelfreigaben nicht nur zur Schadensabwehr, sondern auch zur Nutzung von Vogelarten des Anhangs I der Vogel-Richtlinie und Säugetierarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie).
Wildtiermanagement und -monitoring
Jagd und Wildtiermanagement stellen keine Gegensätze dar – im Gegenteil: Jagd ist einerseits unverzichtbarer Teil des Wildtiermanagements und geht andererseits als gesellschaftlicher Auftrag mit jagdrechtlichen Befugnissen und Pflichten darüber hinaus. Zum Wildtiermanagement gehören insbesondere die Wildforschung, das Wildtiermonitoring (bezüglich der Wildtierarten und deren Lebensräume), das Erstellen und Umsetzen von Fachkonzepten und Fachplänen sowie Information und Beratung der Bevölkerung in Fragen des Umgangs mit Wildtieren. Wildtiermanagement ist eine öffentliche Aufgabe. Jagd und Hege leisten wesentliche Beiträge zum Wildtiermanagement und liegen somit im öffentlichen Interesse. Wildtiermanagement balanciert dabei die unterschiedlichen – öffentlichen und privaten – Ansprüche und Interessen aus und ergänzt die private, eigentumsbasierte Jagd dort, wo es nötig ist.
Wildtiermanagement kann dabei die Hege nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen, etwa durch Schaffung von Wildruhezonen. Auch hier liegt die Verantwortung für die einzelnen Maßnahmen in erster Linie bei den Jagdausübungsberechtigten.
Die Jagd stellt sich der Herausforderung, dass sachliche Entscheidungen über Wildtiere und deren Lebensräume auf einer fundierten Datengrundlage zu treffen sind. Daher sind die Initiierung sowie die Beteiligung am Arten- und Lebensraummonitoring für die Jägerschaft Verpflichtung, gesellschaftliche Aufgabe und ethischer Auftrag zugleich. Insoweit belassen es Jägerinnen und Jäger aber nicht nur bei der Datenerhebung, sondern bringen ihre Expertise auch in die Ableitung von Schlussfolgerungen und Handlungsnotwendigkeiten ein. Entscheidungen über den Umgang mit Wildtieren und deren praktischer Vollzug dürfen nur zusammen mit der Jägerschaft getroffen werden.
Hegegemeinschaften
Bei der Hege kommt es künftig vermehrt auf die Koordination und Vernetzung der Beteiligten an. Den Hegegemeinschaften wird deshalb eine stärkere Rolle als bisher zukommen. Beispiele sind die großräumige Wildbewirtschaftung, die Lebensraumgestaltung einschließlich der Wildschadensvermeidung, die Fütterung, die Beteiligung an öffentlichen Planungsvorhaben, das Prädatorenmanagement, die Besucherlenkung, Maßnahmen gegen invasive Arten und die Umsetzung großräumiger Managementmaßnahmen und Pläne, insbesondere bei geschützten Arten.
Wesentlich für die Hegegemeinschaften ist dabei ebenfalls der Grundsatz der Eigenverantwortung. Die Gründung von und die Mitgliedschaft in Hegegemeinschaften sollen grundsätzlich auf freiwilliger Basis erfolgen. Eine Einbindung von Hegegemeinschaften in bestehende Verbandsstrukturen (Kreisgruppe, Hegeringe) ist dabei sinnvoll.
Fütterung
Die Fütterung von Wildtieren muss möglich bleiben. Sie ist in unserer Kulturlandschaft schon wegen der Lebensraumzerschneidung erforderlich. Gründe für eine Fütterung sind darüber hinaus Wildschadensverhütung, Wildlenkung und Tierschutz. Wildtiere in winterlichen Notzeiten verhungern zu lassen gehört nicht zu unserer Kultur. Dies wäre eine Abkehr von einem verantwortlichen Umgang mit Wildtieren, dem sich Jäger und Grundeigentümer verpflichtet fühlen. Eine fachgerechte und angemessene Wildfütterung hat keine negativen Auswirkungen auf die Biodiversität. Ein vollkommenes Fütterungsverbot in der Kulturlandschaft widerspricht zudem dem Tierschutzgedanken. Jede Fütterung muss aber den örtlichen Verhältnissen und den physiologischen Bedürfnissen der jeweiligen Wildart angepasst sein.
Jagd in Schutzgebieten
Auch in Schutzgebieten ist und bleibt die Jagd grundsätzlich erforderlich. Für eine Einschränkung bedarf es auch in diesen Gebieten besonderer fachlicher Gründe. In vielen Schutzgebieten findet bis heute ein Prädatorenmanagement (insbesondere in Bezug auf die Ausbreitung invasiver Arten) überhaupt nicht statt. Auch vermehrt sich das heimische Schwarzwild oft unvertretbar stark und führt zu vielerlei Beeinträchtigungen auch außerhalb von Schutzgebieten. Einschränkungen der Jagdausübung in Schutzgebieten sind ausschließlich nach dem Schutzweck denkbar, müssen aber nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben und zum Erreichen des Schutzzweckes erforderlich sein.
Bei der Einrichtung von Schutzgebieten sowie bei der Planung und Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen sind die Jagdausübungsberechtigten zuvor einzubeziehen. Unberechtigte Einschränkungen der Jagdausübung fördern nicht die Biodiversität und Artenvielfalt, sondern verhindern sie.
Jagdhunde
Für die Ausübung der Jagd sind brauchbare Jagdhunde aus Gründen des Tierschutzes unverzichtbar und deshalb gesetzlich vorgeschrieben. Dazu gehört auch die tierschutzgerecht durchgeführte Ausbildung an (bzw. hinter) lebendem Wild.
Die Nachsuche mit einem gut ausgebildeten, brauchbaren Jagdhund ist aus Tierschutzgründen zwingend erforderlich. Die bestehenden landesrechtlichen Regelungen dazu sind weitgehend ausreichend. Sie sehen oft auch den Abschluss von Wildfolgevereinbarungen zwischen Reviernachbarn vor. Dies ist als eigenverantwortliche Regelung zwischen den Betroffenen einer gesetzlichen Regelung vorzuziehen, solange sichergestellt ist, dass dem Tierschutz dabei ausreichend Beachtung geschenkt wird.
In vielen Bundesländern dürfen anerkannte Nachsuchengespanne auch ohne vorherige Information des Revierinhabers Reviergrenzen überschreiten. Auch dies ist sinnvoll, weil es dem Tierschutz dient.
Wildschäden
Festzuhalten ist, dass nicht alles, was Wild in Wald und Flur nutzt, einen Wildschaden, beziehungsweise einen ersatzpflichtigen Wildschaden, darstellt. Dies deshalb, weil Feld und Wald auch Lebens- und damit Nahrungsraum des Wildes sind. Der Grundsatz des Wildschadensersatzes durch die Solidargemeinschaft der Jagdgenossenschaft hat sich im Wesentlichen bewährt.
Allerdings haben sich seit Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes die Verhältnisse in der Landwirtschaft durch die Weiterentwicklung von Technik, Pflanzenschutz, Düngung, Anbaumethoden sowie Art und Umfang der angebauten Feldfrüchte stark verändert. Hinzu kommen veränderte Klimabedingungen, die Einflüsse des Großraubwildes (z.B. Wolf) und eine starke Zunahme von Freizeitaktivitäten (auch nachts) in der Natur.
Die Zahl der nichtverpachteten Reviere steigt insbesondere wegen des Wildschadensersatzrisikos stetig an. Daher ist es nachvollziehbar, dass zunehmend alternative Modelle angewandt werden, wie z. B. eine Herausnahme bestimmter Kulturen aus der Haftung oder Beschränkung des Schadensumfanges (Quote). Hier ermöglicht es die Vertragsautonomie, weitere kreative Lösungen im gegenseitigen Interesse zu finden.
In der Praxis sollte unabhängig vom Schadensersatz die Vermeidung von Wildschäden Vorrang haben. Dabei sind bei der Verhütung von Wildschäden Grundeigentümer und Bewirtschafter ebenso in die Verantwortung zu nehmen wie die Jagdausübungsberechtigten.
Ursprünglich war der Eurasische Luchs in allen größeren Waldgebieten und Mittelgebirgsregionen Europas beheimatet. Durch staatliche Vorgaben und Abschussprämien der Landesherren wurde er besonders im 18. und 19. Jahrhundert systematisch verfolgt. In Westeuropa galt er bis in die 1970-er Jahre flächendeckend nahezu als ausgerottet. Mit dem wachsenden Naturschutzinteresse der Gesellschaft wurden durch internationale Abkommen und die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) verbindliche Ziele für den Biotop- und Artenschutz und auch für den Luchs festgelegt. Der Luchs ist nach Anhang IV FFH-RL eine streng geschützte Art.
Der Luchs unterliegt dem Jagdrecht (ganzjährige Schonzeit) und genießt damit über das Naturschutz-recht hinaus einen doppelten Schutz. Die Jagdverbände unterstützen eine natürliche Rückwanderung und Reetablierung des Luchses in für ihn geeignete Lebensräume. Derzeit gehen jedoch alle bedeutenden Luchsvorkommen Deutschlands, sei es in der Nationalparkregion Bayerischer Wald/ Böhmerwald/Sumava oder im Harz auf Wiederansiedlungsprojekte zurück. Einzeltiere werden gelegentlich in Nordrhein-Westfalen (Eifel), Rheinland-Pfalz (Pfälzer Wald), Baden-Württemberg (Schwarzwald, Schwäbische Alb), Hessen, Thüringen sowie im südlichen Sachsen beobachtet.
Der DJV favorisiert eine natürliche Einwanderung des Luchses in geeignete Lebensräume. Die Jägerinnen und Jäger leisten durch ihre Beobachtungen, das Monitoring und ihre Präsenz in der Fläche einen unersetzbaren Beitrag.
Ein zukunftsweisendes Luchsmanagement berücksichtigt neben dem Erhaltungszustand der Luchs-population auch die gesellschaftliche Akzeptanz, die sich in Luchsgebieten grundsätzlich anders darstellt als in naturfernen Siedlungszentren. Es berücksichtigt auch nachhaltig jagdlich bewirt-schaftbare Beutetierpopulationen des Luchses, die eine Basis für einen guten Erhaltungszustand der Luchspopulation bilden. Managementinstrumente beinhalten daher eine Vielzahl von Maßnahmen zur langfristigen Akzeptanz und damit zum Erhalt der Luchspopulation. Neben gezielten Schutzmaß-nahmen können dies u.a. Aufklärung und Wissenstransfer, Schadensprävention, Schadensausgleich oder Entnahme von Tieren sein, deren Verhalten zu besonderen Konflikten führt.
Die Jägerschaft verurteilt illegale Auswilderung von Luchsen ebenso wie illegale Tötungen.
Durch den Aufbau eines Netzes sachkundiger Personen (z.B. „Luchsberater“ in Nordrhein-Westfalen oder „Luchserfasser“ in Sachsen) ist die Jägerschaft in Zusammenarbeit mit anderen Naturschutz-verbänden um Aufklärung über die Ökologie und Lebensweise des Luchses sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den eigenen Kreisen bemüht.
Forderungen des DJV
Die großen noch unzerschnittenen, siedlungs- und verkehrsarmen Räume Deutschlands sind auch im Zusammenwirken mit angrenzenden Regionen zu erhalten. Regional und überregional bedeutsame Lebensraum- bzw. Wanderkorridore sollen integraler Bestandteil der Raumordnung werden. Wirk-same Querungshilfen (u. a. Grünbrücken) für Wildtiere müssen zusammen mit Luchs- bzw. Wildkatzensicheren Schutzzäunen an stark frequentierten Verkehrswegen, noch stärker als bisher verbindlicher Bestandteil von Verkehrswege- und Landschaftsplanung werden. Das Bundesprogramm Wiedervernetzung ist durch den Bund finanziell zu untersetzen und durch die Bundesländer konsequent umzusetzen. Dies gilt in besonderem Maße für das Harzumland.
Die freie Besiedlungsmöglichkeit für Raubsäuger in Deutschland muss auch für alle heimischen Wildtiere gelten. Noch bestehende Lebensraumbegrenzungen durch behördlich angeordnete „Bewirtschaftungsbezirke“ sind umgehend aufzulösen.
Wiederansiedlungsprojekte von Luchsen, die in verschiedenen Regionen Deutschlands von Zeit zu Zeit angedacht werden, dürfen entsprechend der IUCN-Richtlinien (1998) nur in dafür geeigneten Lebensräumen und unter sorgfältiger wissenschaftlicher Kontrolle und Dokumentation durchgeführt werden. Voraussetzung ist die Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung, insbesondere der betroffenen Landnutzer (u.a. Landwirte, Nutztierhalter, Jäger). Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen und Weiter-bildung bedürfen deshalb einer zusätzlichen öffentlichen Unterstützung.
Der Luchs beeinflusst als Spitzenprädator die heimischen Schalenwildbestände. Im Rahmen eines ganzheitlichen Wildtiermanagements sind alle Wildarten, entsprechend der Hegeverpflichtung und der FFH-Richtlinie, vor Bestandsgefährdungen zu schützen. Grundsätzlich darf keine Art gegen eine andere aufgewogen werden, Artenschutz ist nicht teilbar. So verdient derzeit bereits das Muffelwild in Deutschland ein Schutz- und Erhaltungskonzept. Es verfügt hier über seine wertvollsten genetischen Ressourcen europaweit, während es in seinem ursprünglichen Lebensraum auf Korsika und Sardinien hochgradig gefährdet ist.
Der DJV fordert eine wildwissenschaftliche Betrachtung der Räuber-Beute-Beziehung des Luchses anhand des Vorkommens im Wiederansiedlungsgebiet. Hierfür muss ein dauerhaftes und fundiertes Monitoring des Luchses und insbesondere seiner Beutetiere sichergestellt werden, auch wo er nicht dem Jagdrecht unterliegt. Jägerinnen und Jäger übernehmen hierbei Verantwortung, indem sie sich aktiv in das Monitoring einbringen und Daten zuliefern (u.a. Fotofallenbilder, Genetikproben). Im Gegenzug erwarten sie neben Aufwandsentschädigungen aber auch eine Beteiligung bei der Bewertung der wissenschaftlichen Ergebnisse, der daraus resultierenden Maßnahmen und der Entscheidungen darüber. U.a. konnten durch das Fotofallen-Monitoring 2014/15 im Westharz Luchs-dichten von mehr als 3,8 Stück je 100 Quadratkilometer belegt werden (Middelhoff & Anders 2015). Die Dichten bewegen sich damit im oberen Bereich von anderen europäischen Luchspopulationen (Okarma et al. 1997, Zimmermann et al. 2014).
Das Luchsmanagement sollte auch die Möglichkeit einer späteren Regulation evtl. überhöhter Luchs-bestände beinhalten.
In Gebieten mit Luchs-Vorkommen sind Jagd- und Forstbehörden aufgefordert, in Abstimmung mit der Jägerschaft das Schalenwildmanagement den Gegebenheiten anzupassen, dies gilt insbesondere für die Anrechnung des Nahrungsbedarfes des Luchses auf die Abschussplanung.
Quellen:
Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom 21. Mai 1992, Abl. Nr. L 206, S. 7 [Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, FFH-RL].
IUCN (1998): Guidelines for Re-introductions. Prepared by the IUCN/SSC Re-introduction Specialist Group. IUCN, Gland, Switzerland and Cambridge, UK. 10 pp.
Middelhoff, T. L. und O. Anders (2015): Abundanz und Dichte des Luchses im westlichen Harz. Fotofallenmonitoring 2014/15, Projektbericht, Nationalpark Harz.
Okarma, H., Jedrzejewski, W., Schmidt, K., Kowalczyk, R. & B. Jedrzejewska (1997): Predation of Eurasian lynx on roe deer and red deer in Bialowieza Primeval Forest, Poland. Acta theriologica 42 (2): 203-224.
Zimmermann F., Dulex N., Foresti D., Breitenmoser-Würsten Ch. & U. Breitenmoser (2014): Abundanz und Dichte des Luchses im Wallis Nord: Fang-Wiederfang-Schätzung mittels Fotofallen im K-VII im Winter 2013/14. KORA Bericht Nr. 65, 15 pp.
Das Präsidium des Deutschen Jagdverbandes
Wolfsburg, 09. Juni 2016
DJV-Luchsposition herunterladen
Wildkameras sind derzeit verstärkt in der öffentlichen Diskussion und ein wichtiges Thema bei den Datenschutzbeauftragten der Länder. Anders als in manchen Medienberichten oder von Datenschutzbehörden dargestellt, werden unbeteiligte Waldbesucher in der Praxis fast nie aufgenommen. Denn beim Einsatz von Wildkameras geht es nahezu ausschließlich um die Wildtierbeobachtung und keinesfalls um die Ermittlung personenbezogener Daten. Wildkameras werden in erster Linie in den Einstandsgebieten des Wildes eingesetzt, wo sich üblicherweise keine Waldbesucher aufhalten. Wildkameras können einen wertvollen Beitrag zur Hege, der störungsarmen Jagd und damit der Verhütung von Wildschäden dienen. Sie leisten auch einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz.
Die Rechtslage zum Einsatz von Wildkameras unterscheidet sich (u. a. wegen unterschiedlicher Regelungen des Waldbetretungsrechts) von Bundesland zu Bundesland. Der DJV hält den Einsatz in den meisten Fällen für datenschutzrechtlich unbedenklich. Dagegen sind einige Landesdatenschutzbeauftragte – fälschlicherweise – der Auffassung, dass der Einsatz in vielen Fällen unzulässig sei. Die unterschiedliche Rechtslage macht es derzeit schwer, abschließende Empfehlungen zur Verwendung von Wildkameras zu geben. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung, sollten beim Einsatz von Wildkameras folgende Grundsätze beachtet werden:
- Aufnahmen von Personen sollten soweit wie möglich vermieden werden; Wildkameras sollten grundsätzlich nicht auf regelmäßig frequentierte Wege gerichtet werden;
- Der Einsatz sollte auf jagdliche Einrichtungen (einschließlich Fütterung, Kirrung und Wildäsungsflächen) sowie Wildwechsel beschränkt werden;
- Sollten unbeabsichtigt Personen aufgenommen worden sein, sind diese Aufnahmen sofort zu löschen (soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten erforderlich sind);
- Insgesamt sollten Wildkameras zurückhaltend und auf ein angemessenes Maß begrenzt, eingesetzt werden;
- Beobachtungen von seltenen Arten, insbesondere Wolf, Wildkatze und Luchs sollten mit Zustimmung des Jagdausübungsberechtigten der zuständigen Stelle gemeldet werden.
Eine Klärung der Rechtslage ist wünschenswert. Die Landesjagdverbände und der DJV setzen sich dafür ein. Revierinhaber, die mit Forderungen der Datenschutzbehörden konfrontiert sind, sollten ihren Landesjagdverband informieren.
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