Die einen meinen, "bleifrei" funktioniere nicht, die anderen schwören es gäbe nichts besseres. Ob in Jagdforen im Internet, in Hegeringen und Kreisgruppen oder am Lagerfeuer bei der Drückjagd wird "bleifrei" heiß diskutiert. Fakt ist: Nicht allein das Material entscheidet über die Wirksamkeit eines Geschosses, sondern viel mehr seine Konstruktion.

Wenn ein Jagdgeschoss ein Tier so schnell wie möglich töten soll, zählen drei Zahlen: 1.500 Joule muss das Geschoss im Minimum auf den ersten 15 Zentimetern im Wildkörper abgeben können, 30 weitere Zentimeter muss es sich im Ziel richtungsstabil bewegen und schließlich für einen Ausschuss sorgen. Dann bleiben die Fluchtstrecken des Wildes im Schnitt unter 30 Metern – eine Entfernung, mit der sich die Jäger in den Abschussberichten der Studie "Ergänzende Untersuchungen zur Tötungswirkung bleifreier Geschosse" zufrieden gezeigt haben.

Mehr als 11.000 beobachtete Abschüsse durch Jäger im Feld wurden mit Daten kombiniert, die in 117 Blöcken ballistischer Seife gemessen wurden. Über die getesteten Kaliber, Geschosse und Geschossgewichte stellten die Wissenschaftler fest, dass sowohl bleihaltige als auch bleifreie Geschosse in der Lage sind, diese Wirksamkeit auf unterschiedliche jagdliche Entfernungen zu entfalten. Und sie sortierten Geschosse aus, die diese Wirksamkeit nicht erreichen: darunter bleifreie und bleihaltige Geschosse.

Maßgeblich sind nicht die 2.000 Joule Auftreffenergie auf 100 Meter (für Rehwild 1.000 Joule), wie im Bundesjagdgesetz vorgeschrieben. Maßgeblich ist die Geschosswirksamkeit im Ziel. Der DJV hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, die Kriterien im Bundesjagdgesetz dringend zu überarbeiten.

Wichtig ist nun die Spreu vom Weizen zu trennen und den Jägern ein vernünftiges Handwerkszeug zur Verfügung zu stellen, mit dem sie sicher und tierschutzgerecht jagen können.

Wie gefährlich ist Blei im Wildbret tatsächlich?

Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in Auftrag gegebene Studie „Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret“ (LEMISI) unter Leitung des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) kam zu dem Ergebnis, dass bleihaltige Geschosse im Vergleich mit bleifreien Geschossen mehr Blei in das Wildbret eintragen. Je weiter Teile vom Schusskanal entfernt sind, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort Blei enthalten ist oder nachgewiesen werden kann. Die Nutzung von Verbundkern-Geschossen führt zu keinem geringeren Eintrag von Blei in das Wildbret. Fakt ist: Grundsätzlich ist eine Minimierung des Bleieintrages möglich.

Während Kupfer und Zink essenziell für den Menschen sind, gilt Blei als hochgiftig. Es ist unbekannt, welche Dosis Blei keine Wirkung auf den Menschen hat. Aus diesem Grund hat die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA keinen Wert für die tägliche tolerierbare Aufnahmemenge (TDI) an Blei abgeleitet. Durch viele menschliche Aktivitäten ist Blei jedoch überall in der Umwelt vorhanden und gelangt so in geringen Mengen auch in Lebensmittel. Während Verbraucher über Getreide, Gemüse und Leitungswasser, die wenig Blei enthalten, durch die schiere Menge des Verzehrs den größten Anteil an Blei über Nahrungsmittel aufnehmen, kann Wildbret eine Quelle mit möglicherweise hohem Bleigehalt sein – wenn es mit bleihaltiger Munition erlegt wurde.

Bei geringem Wildbretverzehr spiele die zusätzliche Menge an Blei für Erwachsene zwar so gut wie keine Rolle. Sollte Wild jedoch extrem häufig (50 bis 90 Mal pro Jahr) verzehrt werden, sei dies ein Risiko, so die Forscher. Besondere Bedenken äußern Experten bei Kindern und schwangeren Frauen. Gerade im Stadium der frühkindlichen Entwicklung kann die Aufnahme kleinster Mengen von Blei Einfluss auf Gehirn und Nervensystem haben. Als Hauptrisikogruppe identifiziert das BfR Jägerfamilien.

Der EFSA zufolge sollte der Eintrag von Blei in Lebensmittel, wo es möglich ist, vermieden werden. Diese Möglichkeit besteht bei der Nutzung von bleifreier Munition, die tierschutzgerecht tötet.

 

Unabhängig vom Material: tierschutzgerecht und unbedenklich

Der Deutsche Jagdverband (DJV) fordert vom Gesetzgeber neue und verbindliche Kriterien für Jagdbüchsenmunition. Abgeschlossene wissenschaftliche Studien, die heute im Rahmen des Fachsymposiums „Wild – Gut Erlegt?“ des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) und des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) in Berlin präsentiert wurden, haben gezeigt, dass eine Neubewertung notwendig ist. „Für eine tierschutzgerechte Jagdausübung zur Nahrungsmittelproduktion brauchen wir das beste verfügbare Handwerkszeug“, so DJV-Vizepräsident Dr. Bethe. Wenn sich nach den jetzt vorgestellten Erkenntnissen Jagdbüchsenmunition unterschiedlicher Materialien auf dem deutschen Markt befindet, die nachweislich nicht tierschutzgerecht tötet, dann hat der Gesetzgeber neue Kriterien festzulegen. „Wir brauchen Klarheit für den Anwender und für den Markt“ sagt Dr. Bethe weiter. Die Industrie wird aufgefordert,  standardisierte Empfehlungen auf der Verpackung abzudrucken, damit direkt ersichtlich ist, für welche Einsatzzwecke die Munition geeignet ist. „Tierversuche in freier Wildbahn kann keiner wollen“, so Dr. Bethe.

Sowohl Tierschutz als auch Verbraucherschutz müssen nach Ansicht des DJV bei neuen Kriterien für Jagdbüchsenmunition berücksichtigt werden. Daher muss gleichzeitig darüber nachgedacht werden, wie sich der Eintrag von Blei in das Wildfleisch reduzieren lasse. Das BfR kommt nach einer fast zweijährigen Lebensmittelsicherheitsstudie von jagdlich gewonnenem Wildbret zu dem Ergebnis, dass unterschiedliche Geschosskonstruktionen Blei im Wildbret zurücklassen können. Zwar seien die Mengen für Normalverbraucher absolut unbedenklich. Jedoch gebe es Risikogruppen, die besonders gefährdet sind. Dazu zählen Vielverzehrer wie Jäger sowie Schwangere und Kleinkinder. Das BfR hat bereits 2011 veröffentlicht, dass die Deutschen über Getränke, Getreide und Gemüse erhebliche Mengen Blei aufnehmen, sodass jede weitere Aufnahme von Blei vermieden werden sollte. „Wir brauchen innovative Jagdgeschosse, die den Bleieintrag ins Wildbret minimieren und den hohen zielballistischen Anforderungen der Jäger gewachsen sind“, fordert Bethe. „Als Lebensmittelproduzenten bieten wir ein hochwertiges Produkt. Diese Verantwortung sollten wir weiterhin ernst nehmen.“

Der DJV hat Studien zu Jagdmunition in den vergangen Jahren maßgeblich unterstützt und für einen wissensbasierten und praxisorientierten Weg geworben. Jetzt ist der Bundesgesetzgeber gefordert, Klarheit zu schaffen und Tierschutz, Verbraucherschutz sowie Anwendersicherheit zu gewährleisten.

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