(Quelle: Kauer/DJV)

Waldsaatgans (Anser fabalis)

Der Name „Saatgans“, der bis vor kurzem eine paläarktische Gänseart beschrieb, leitet sich vom bevorzugten Auftreten dieses Durchzüglers und Wintergastes auf landwirtschaftlichen Kulturen in Mitteleuropa her. In Deutschland rasten und überwintern beide Saatgansarten (Tundra- und Waldsaatgans) in gemischten Trupps, ihre nicht einfach zu bestimmenden Formen erschweren die genaue Zählung auf Art- bzw. Unterartniveau (entspricht den bisherigen „Formen“). Die Art wurde taxonomisch getrennt, da die beiden bisherigen Unterarten deutliche Unterschiede in ihrer Verbreitung, ihrem Lebensraum und vor allem in ihrer Populationsgröße aufweisen. Die Rastbestände der Waldsaatgans in Mitteleuropa sind seit längerer Zeit stark rückläufig.

Waldsaatgans
Waldsaatgans (Quelle: Hort/DJV)

Kennzeichen

Die Waldsaatgans gehört zur Gruppe der braun gefärbten Feldgänse und ist im Vergleich zur Tundrasaatgans größer und schlanker. Die Gefiederfärbung der Waldsaatgans ist auf der Flügeloberseite dunkel braun gefärbt, mit hellen Säumen an den Deck- und Schwungfedern. Im Flug wirken die Unterseiten der Flügel einfarbig dunkel. Die Bauchseite ist hellbraun und weist keine schwarze Querbänderung auf. Der Hals ist hellbraun, schlank und länger als bei der Tundrasaatgans, der Kopf dunkelbraun gefärbt. Der Schnabel ist länger als bei der Tundrasaatgans, mit niedrigerer Basis und überwiegend dunkel gefärbt mit breiterer orangefarbener Binde in der vorderen Schnabelhälfte. Bei Jungtieren kann der gesamte Schnabel orangerötlich sein und einen schmalen weißen Federrand aufweisen. Die Beine sind orange gefärbt.

Das Flugbild der Waldsaatgänse ist meist klassisch V-förmig.

Größe: 66 -84 cm, Gewicht: wahrscheinlich etwas schwerer als Tundrasaatgans, genaue Daten nicht bekannt

 

Verbreitung und Stellung im zoologischen System

Die Waldsaatgans brütet vor allem in der Taiga der paläarktischen Gebiete zwischen Skandinavien und Westsibirien in zwei voneinander getrennten Brutarealen, sie nutzt dort aufgelockerte Wälder als Brutgebiet. Dort brütet sie am Boden in Mooren und in Sumpf- oder Schilfflächen.
Sie gehört zur großen Ordnung der Entenvögel (Anseriformes) und darin zur Familie der Entenverwandten (Anatidae), Unterfamilie Schwäne und echte Gänse (Anserinae) und bildet darin mit anderen Feldgänsen die Gattung Anser. Der Waldsaatgansbestand nimmt seit längerer Zeit stark ab, die Zahlen der Rastpopulationen belaufen sich aktuell nur noch auf etwa 12.000 Tiere. Sie wird als stark gefährdet eingestuft.

Vorkommen der Waldsaatgans in Deutschland

In Deutschland gibt es keine Bruten dieser Art. Die Waldsaatgans ist ein Kurzstreckenzieher, der von September bis März in Mitteleuropa zu beobachten ist – allerdings nur noch in kleinen Beständen (max. 11.500 Tiere). So rasten und überwintern die meisten Waldsaatgänse im westlichen Ostseeraum bis Polen. In den letzten Jahren hat sich im Unteren Odertal ein kleiner Rastbestand von 1.500 Waldsaatgänsen etabliert, der in einem Forschungsprojekt überwacht wird. Zur Übernachtung werden größere Gewässer aufgesucht, die Entfernung zu den täglichen Äsungsflächen auf landwirtschaftlichen Kulturen kann relativ weit sein.

Lebensraum

In den arktischen Wäldern Skandinaviens und Sibiriens (Taigazone) werden feuchte Flächen (Schilf- und Sumpfinseln, Moore) besiedelt. Die in Mitteleuropa durchziehenden und überwinternden Populationen nutzen Grünland und kurzrasige landwirtschaftliche Kulturen zur Nahrungsaufnahme. Aber auch Erntereste wie Mais oder Zuckerrüben werden gefressen, ebenso wie Getreidekörner, Wurzeln oder Kartoffeln.

Nahrung

Als erwachsener Vogel ernährt sich die Waldsaatgans überwiegend vegetarisch – vor allem Gräser, Kräuter und Wasserpflanzen sowie Beeren. Die Gössel suchen nach dem Schlupf in den stehenden Gewässern der Nestumgebung selbständig kleine Insekten im Wasser.

Sinnesleistung und Lautäußerung

Die Waldsaatgans hat, wie die meisten Gänse, ein sehr gutes Seh- und Hörvermögen. In den Überwinterungs- und Rastgruppen haben immer einige Tiere „Augen und Ohren“ offen, um eine eventuelle Feindannäherung rechtzeitig zu melden. Als Bodenbrüter benötigen sie diese Wachsamkeit ebenfalls und verteidigen ihre Brut sehr engagiert.
Nicht sehr ruffreudig während des Fluges, ein etwas nasales, trompetendes ank-ang, auch ein eher tiefes tjoött-tjoött.

Fortpflanzung

Daten zu Brutdauer und Gelegegrößen der als neue Art eingestuften Waldsaatgans sind nicht bekannt, orientieren sich aber vermutlich an den Erkenntnissen zur vormals als Saatgans untersuchten Art: es werden durchschnittlich 4-6 Eier gelegt und etwa 4 Wochen bebrütet, die Spanne kann aber von 3 bis 8 Eiern pro Gelege reichen, eine Jahresbrut von Mai bis Juli. Alte Nestanlagen werden weiter genutzt und vor allem vom Weibchen ausgebessert, das Männchen trägt auch Nistmaterial zu. Das Nest wird aus Grashalmen und Kräuterstängeln gebaut und mit Daunen ausgekleidet.

Gefahren

Gänse sind sehr wehrhaft, erwachsene Vögel haben Seeadler und Füchse als Hauptfeinde, die noch flugunfähigen Jungtiere (Gössel) können von allen im Brutgebiet vorkommenden Raubtieren und aktiv jagenden Vögeln (z.B. Eulen, Greifvögel, Möwen, Raubmöwen) erbeutet werden. Die Gänseeltern verteidigen ihre Brut aber sehr energisch. Inwieweit der Klimawandel in den arktischen Brutgebieten der Gänse zu einer Lebensraumveränderung führt (z.B. höhere Vegetation und schlechtere Sichtbarkeit von Feinden, oder Nahrungszusammensetzung bzw. -erreichbarkeit) und sich auf die Brutpopulationen auswirkt, ist derzeit unklar.

Waldsaatgans im Bundesjagdgesetz

In der derzeit gültigen Fassung der Jagdzeitenverordnung (JagdzeitV 1977, geänderte Fassung vom 7.März 2018) wird für die Saatgans eine Jagdzeit vom 1. November bis 15. Januar angegeben, die Trennung der Saatgans in zwei Arten (Waldsaatgans und Tundrasaatgans) und ein ggf. anderer Status ist dort bisher nicht erklärt.

Brandenburg hat die Jagd auf Saatgänse beider Arten seit dem Winter 2019/20 ausgesetzt, da beide Arten sehr leicht verwechselt werden können.

 

Quellen

  • Barthel, P. H. & T. Krüger (2018): Artenliste der Vögel Deutschlands. Vogelwarte 56: 171–203.
  • Barthel, P.H.; Barthel, C.; Bezzel, E.; Eckhoff ,P.; van den Elzen, R.; Hinkelmann, C,; Steinheimer, F.D. (2020): Deutsche Namen der Vögel der Erde. Vogelwarte 58, 2020: 1 – 214
  • Cramp, S. et al. (1977): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa. Vol. I Ostrich to Ducks. Oxford University Press.
  • Dachverband Deutscher Avifaunisten (2022): Bestandsentwicklung, Verbreitung und jahreszeitliches Auftreten von Brut- und Rastvögeln in Deutschland. Dachverband Deutscher Avifaunisten, www.dda-web.de/vid., aufgerufen am 09.11.2022.
  • Gerlach, B.; Dröschmeister, R.; Langgemach, T.; Borkenhagen, K.; Busch, M.; Hauswirth, M.;  Heinicke, T.; Kamp, J.; Karthäuser, J.; König, C.;  Markones, N.; Prior, N.; Trautmann,S.; Wahl, J.; Sudfeldt; C. (2019): Vögel in Deutschland — Übersichten zur Bestandssituation. DDA, BfN, LAG VSW, Münster
  • Svensson, L.; Mullarney, K.; Zetterström, D. (2011): Der Kosmos Vogelführer. 2.Auflage, Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart