(Quelle: Kauer/DJV)

Teure Heuchelei und bürokratischer Unsinn“

25. Februar 2014 (djv) Berlin

DJV befragte Eric Schweizer, Präsident des Genfer Jägerverbands „La St Hubert“, zum angeblich jagdfreien Kanton Genf

Schweizer Flagge
Schweizer Flagge

Genfs Wildtiere leben gut ohne Jagd, behaupten Jagdgegner, eine professionelle Umweltpolizei betreue die Tierwelt. Die ZDF-Doku „Jäger in der Falle“ kommt zu dem Schluss, dass „sanftes Wildtiermanagement“ à la Genf pro Jahr jeden Bürger genauso viel wie eine Tasse Kaffee kostet. Was steckt hinter diesen wohlklingenden Phrasen? Der Deutsche Jagdverband hat in Genf nachgehakt und mit Eric Schweizer, Präsident des Genfer Jägerverbands „La St Hubert“, gesprochen. Einen ausführlichen Faktencheck zur ZDF-Doku „Jäger in der Falle“ gibt es unter www.jagd-fakten.de. Dort kann auch eine Petition gegen tendenziöse Berichterstattung im ZDF gezeichnet werden. Innerhalb von knapp drei Wochen haben bereits mehr als 51.000 Menschen diese Chance genutzt, um zu protestieren. Damit steht die Petition auf der Plattform www.openpetition.de auf Platz 3.

DJV: In der ZDF-Doku „Jäger in der Falle“ wird über Genf behauptet: „Viele Wildtiere waren vor 40 Jahren fast ausgerottet.“ Hasen, Fasane, Rebhühner seien nur in geringen Beständen vorhanden und das Gleichgewicht sei durch künstliche, massive Aussetzung von der Jagd gestört gewesen. Heute gehe es allen Arten besser. Stimmt das?

Eric Schweizer: Das kann so nicht unwidersprochen stehen bleiben! Nach Einstellung der privaten Jagd im Jahr 1974 gab es bei Hase, Fasan und Rebhuhn zwar tatsächlich einen leichten Aufwärtstrend. Aber dann waren sie nahezu gänzlich verschwunden. Beispiel Rebhuhn: Anfang der 1980er Jahre gab es im Kanton Genf etwa 400 Rebhühner, 25 Jahre später nur noch einzelne Individuen. Zwischen 2009 und 2013 wurden dann insgesamt 3.300 Rebhühner ausgesetzt und die Lebensräume aufwändig verbessert. Das ernüchternde Ergebnis: Weniger als 100 Rebhühner leben derzeit im Kanton Genf. Das kostspielige Aussetz-Programm wurde zwischenzeitlich eingestellt.

Füchse, die Fressfeinde des Rebhuhns und vieler anderer Bodenbrüter, haben sich übrigens seit den 1980er Jahren prächtig vermehrt, nachdem die Tollwut besiegt und die Jagd aus ideologischen Gründen eingestellt war. Folgerichtig kam es in den 1990er Jahren im Südosten des Kantons zu einer Räude-Epidemie, die Fuchsbestände gingen gegen Null. Die Hasenbestände erholten sich daraufhin so gut, dass die Schäden auf den Feldern überhand nahmen. Der Kanton Genf verordnete staatliche Zwangsumsiedlung: Mehr als 200 Langohren wurden in 2007 und 2008 eingefangen und in das Kanton Wallis sowie nach Frankreich „ausgewiesen“. Die Schäden in der Landwirtschaft blieben und so erhielten die staatlichen Wildhüter letztendlich wieder eine dauerhafte Abschussgenehmigung. Seitdem – aber auch in der 1980er und 1990er Jahren – wurden mit Hilfe von Steuergeldern Tausende Hasen erlegt. Mehr als 1.600 Kaninchen wurden von den Wildhütern in den 1980er und 1990er Jahren abgeschossen. Mit ein Grund, dass das Kaninchen im Kanton Genf zwischenzeitlich ausgerottet ist.

Das Rotwild sei heute Dank des Verbotes der privaten Jagd zurück, das Schwarzwild auch. Wie bewerten Sie diese Aussage des ZDF?

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Genauso-wenig wie der Klapperstorch die Kinder bringt, hat ein Verbot der Privatjagd zum Ansteigen der Bestände von Hirsch, Reh und Wildschwein geführt. Weil es diese Arten bis 1974 und auch nach dem Verbot der Privatjagd im Kanton Genf schlicht sehr selten gab. (Hirsche gab es gar keine und Wildschweine wurden vor 1974 maximal zehn pro Jahr geschossen. 2012 haben die staatlichen Wildhüter 469 erlegt! Der Anstieg der Paarhufer-Bestände ist ein Trend, den wir in ganz Europa beobachten, unabhängig vom jeweiligen Jagdsystem.

Auch die Zunahme der Wasservögel hat nichts mit dem Verbot der Privatjagd zu tun: Im Wesentlichem begünstigt die Ausbreitung der Zebra-Muschel – Hauptnahrungsquelle vieler Wasservögel – diesen Trend. Die Jagd auf Wasservögel war schon vor 1974 auf der Rhone stark eingeschränkt und auf dem Genfer Teil des Genfer Sees komplett verboten.

Im ZDF wird behauptet, die vergangenen 40 Jahre hätten gezeigt, dass die meisten Arten gar keine Regulierung brauchen in Genf und es ihnen sehr gut geht, wenn sie nicht bejagt werden. Ist Genf ein Kanton, das ohne Jagd auskommt?

Ganz sicher nicht und es ist Heuchelei zu behaupten, dass das Wildschwein die einzige Tierart ist, die in Genf reguliert wird! Staatlich bezahlte Wildhüter aber auch “genehmigte Private” haben von 1974 bis heute mehr als 31.000 diverse Vögel – Wildtauben, Enten,
Stare, Rabenvögel und sogar Reiher – sowie tausende Säugetiere – Kaninchen, Hasen, Wildschweine, räudige Füchse, und in den vergangenen Jahren auch Rehe – abgeschossen.

Im Jahr 2012 haben Landwirte eine Petition eingereicht, die nichts weniger als die offizielle Rückkehr der Hirschjagd verlangt. Dazu muss erwähnt werden, dass Landwirte schon 2002 dem Genfer Kantonalrat eine Petition für die Wiedereinführung der Jagd eingereicht hatten, da sie mit der staatlichen Handhabung von „Wildschäden“ äußerst unzufrieden waren.

Vergleicht man die Zahl der erlegten Tiere aus dem urbanen Genf mit dem angrenzenden, zehn Mal größeren ländlichen Kanton Vaud, wird deutlich: In Genf werden sogar mehr Stare, Krähenvögel, Wildtauben und Wildschweine geschossen. Das ist intensivste Jagd, die nur nicht so heißt und eben durch Steuergelder finanziert wird.

Was verbirgt sich also hinter dem Wildtiermanagement nach Genfer Vorbild?

Zusammengefasst kann man sagen: Die Jagd – also das Erlegen von Wildtieren – wurde in Genf nie abgeschafft. Auch wenn Jagdgegner das gern glauben machen wollen. Angesichts der massiven Zunahme der Bestände und der Wildschäden sollen sehr bald auch Rehe und Hirsche den Büchsen der Wildhüter zum Opfer fallen. Wie kann man ernsthaft behaupten, dass in solch einem kleinen und dichtbesiedelten Kanton wie Genf, wo jährlich tausende Vögel, Wildschweine, Hasen, Kaninchen und jetzt auch noch Rehe und Hirsche abgeschossen werden, die Jagd abgeschafft worden ist? Es handelt sich um eine äußerst teure Heuchelei und um einen bürokratischen Unsinn! Auf andere, weniger dicht besiedelte und größere Flächen übertragen, wäre dieses System eine regelrechte Katastrophe und man bräuchte eine Armee an Wildhütern, um Schäden an Land und Frostwirtschaft, aber auch um Seuchen und Verkehrsunfälle im Griff halten zu können.

(Anmerkung der Redaktion: 500 erlegte Wildschweine bedeuten, auf die Fläche von Genf über-tragen, 1,8 Stück pro 100 Hektar. Dies entspricht Werten, die in Teilen Brandenburgs, einem wildschweinreichen Bundesland mit hohen Jagdstrecken, zu erzielen wären. Genf ist ein urbaner Kanton mit 1.600 Einwohnern pro Quadratkilometer, in Deutschland leben 226 Menschen pro Quadratkilometer.)

Teure Heuchelei? Das ZDF und einschlägige Jagdgegner behaupten, das staatliche Wildmanagement koste lediglich eine Tasse Kaffee pro Bürger.

Bereits 2003 verlangten einige Politiker, als Sparmaßnahme die Einführung privater und freiwilliger „Hilfs-Wildhüter“, um die „professionellen“ Wildhüter zu entlasten. Aber die Jagdgegner stimmten dagegen. Da das „Genfer-System“ viel kostet und anscheinend viele Kreise mit der jetzigen Lage nicht zufrieden sind, wollte ein Abgeordneter im Haushalt von 2009 die knapp 330.000 Euro für die nächtlichen Abschüsse von Wildschweinen streichen und diese Abschüsse „privaten Regulier-Agenten“ überlassen. Diese müssten dann sogar dem Staat mehr als 400 Euro pro Genehmigung zahlen, so wie das existierende Gesetz es auch zulässt. Aber wieder stimmten die Abgeordneten – hauptsächlich Nicht-Betroffene aus dem Stadtzentrum – dagegen.

Nur um einen Aspekt des Genfer Wildmanagement-Systems zu erwähnen: Ein Genfer Wildhüter kostet den Steuerzahler etwa 98.200 Euro jährlich, das macht bei zwölf Stellen rund 1,2 Millionen Euro. Das ist ganz schön teuer, um 500 Wildschweine zu erlegen, selbst wenn die Wildhüter nur einen Teil ihres Arbeitstages dem Abschuss widmen. Bezogen auf Deutschland wären das demnach 3,6 Milliarden Euro für die staatliche Wildschadens- und Seuchenprävention. Denn in Deutschland werden jährlich etwa 1,8 Millionen Wildschweine, Rehe und Hirsche erlegt. Und dem Kanton Genf gehen beträchtliche Einnahmen verloren: Bis 1974 zahlten rund 400 Jäger insgesamt 262.000 Euro für Jagdpatente an den Kanton Genf.

Weiterführende Quellen

Fragestunde im Schweizer Parlament – Jagdstatistik des Kanton Genf
www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20135095

Genfer Jägerverband „La St Hubert“
www.chassegeneve.ch

Jagdbericht des Kantons Genf für die Saison 2012/13 (Liste der bejagten Arten)
www.ge.ch/codof/doc/commission-constitutionnelle-faune-2013.pdf

Jagdbericht des Kantons Genf für die Saison 2011/12 (Wildschäden durch Schwarzwild)
www.ge.ch/codof/doc/commission-constitutionnelle-faune-2012.pdf