(Quelle: Kauer/DJV)

Frage-Antwort-Papier zu Wald und Klimawandel

24. September 2019 (DJV) Berlin

In einem umfangreichen Papier gibt der DJV Antworten auf dringende Fragen des Waldumbaus aus Jägersicht.

Der Aufbau klimastabiler Wälder und damit ein vielfältigeres Baumartenspektrum fördert Artenreichtum und ist somit auch für den Erhalt von Wildlebensräumen sinnvoll.
Der Aufbau klimastabiler Wälder und damit ein vielfältigeres Baumartenspektrum fördert Artenreichtum und ist somit auch für den Erhalt von Wildlebensräumen sinnvoll. (Quelle: Hamann/DJV)

Was fordern die Jäger hinsichtlich des Waldumbaus?

Der Aufbau klimastabiler Wälder und damit ein vielfältigeres Baumartenspektrum fördert Artenreichtum und ist somit auch für den Erhalt von Wildlebensräumen sinnvoll. Die inneren Waldstrukturelemente (z.B. Schneisen, Wegränder), aber auch das den Wald umgebende Offenland müssen so gestaltet werden, dass sich ein geeigneter Lebensraum für Wildtiere entwickelt und so die Wahrscheinlichkeit von Wildschäden minimiert wird. Wald, Feld und Wiesen werden von Wildtieren im Jahresverlauf unterschiedlich genutzt - eine isolierte Betrachtung des Waldes wird der Realität nicht gerecht. Wildtiere ziehen sich im Winter aufgrund des derzeitigen Deckungs- und Äsungsmangel im Offenland notgedrungen in Waldbereiche zurück. Dort kann dann der Fraßdruck auf junge Bäume entsprechend zunehmen. Durch den Wegfall der Stillegungsverpflichtung in der Landwirtschaft hat sich beispielsweise die Fläche der Brachen seit 2007 von knapp 8.500 auf 3.000 Quadratkilometer reduziert. Hinzu kommen Intensivierung der Landwirtschaft und Flächenversiegelung. Insbesondere im Winter und im zeitigen Frühjahr fehlen somit wichtige Äsungsflächen für Pflanzenfresser wie Reh, Rothirsch oder Feldhase.

Lebensraumelemente für Wildtiere:

  • Äsungsangebote durch Wiesen und naturbelassene Freiflächen im Waldinneren schaffen: Stufig aufgebaute, naturnahe Waldränder, krautig bewachsene Wegränder oder auch Schneisen mit ausreichendem Lichteinfall bieten Kräutern und Gräsern gute Bedingungen.
  • Bei der Holzernte von knospenreichen Laubbäumen (z.B. Eiche) anfallende Baumkronen in den frühen Wintermonaten im Wald belassen: Sie bieten nahrhafte Äsung.
  • Wildruhezonen einrichten.
  • Aufwertung der Feldflur als Lebensraum für Reh- und Rotwild: Ganzjährige Deckung und Äsung im Feld würde Schäden im Wald zuverlässig minimieren und entspräche dem Lebensraumanspruch beider Wildarten: Rehwild ist ein klassischer Waldrandbewohner, Rotwild eine Art des Offenlandes.
     

Präventionsmaßnahmen gegen Wildschaden:

  • Jagdschneisen und Wildäsungsflächen in großen Aufforstungsflächen bereits bei der Pflanzung berücksichtigen.
  • Waldbesitzer, Förster und Jäger sollten Standorte für jagdliche Einrichtungen gemeinsam festlegen.  
     

Finanzielle Unterstützung 

Die aktuellen Schadereignisse sorgen für große Kahlflächen, die schnell aufgeforstet werden müssen. Um diese Schwerpunkte effizient über mehrere Jahre hinweg bejagen zu können, benötigen Jäger zum Beispiel Hochsitze. Deren Anschaffung, Bau und Instandhaltung sollten finanziell unterstützt werden. Auch der Einsatz geprüfter Jagdhunde für Bewegungsjagden, die Ausstattung und Versicherung der Hunde und Hundeführer sollten subventioniert werden. Ebenso fordern die Jäger Unterstützung bei der Wildbretverarbeitung und -vermarktung.
 

Kann Waldumbau mit Naturverjüngung allein gelingen?

Nach Angaben von Experten gibt es in Deutschland immer noch 2,8 Millionen Hektar Nadelholzreinbestände. Das sind 27 Prozent der Waldfläche Deutschlands. Auf Kahlflächen innerhalb großer Fichtengebiete entstehen ohne menschliches Zutun durch Naturverjüngung wieder artenarme Fichtenwälder. Wenn tatsächlich klimastabile Wälder entstehen sollen, müssen 5 Milliarden Bäume gepflanzt werden (3). Damit ist es nicht getan: Die Jungpflanzen brauchen viel Pflege, in vielen Fällen zweimal jährlich. Adlerfarn, Brombeere, Gräser oder andere Pflanzen nehmen diesen sonst den Lebensraum.Und sie müssen geschützt werden, etwa mit Wuchs-Hüllen oder biologischen Mitteln: In einem artenarmen Fichtenwald wirken gepflanzte Laubbäume oder die Weißtanne wie ein Magnet auf Pflanzenfresser von der Maus bis zum Reh.
 

Welche Rolle spielt die Jagd beim Waldumbau?

Die Jagd ist ein wichtiges Instrument im Waldumbau und die Jäger helfen aktiv, ein Gleichgewicht in der Kulturlandschaft zu schaffen. Einen Erfolg im Waldumbau allein mit dem Gewehr - also mit dem Abschuss möglichst vieler Rehe und Hirsche - zu erzielen, ist aber viel zu kurz gedacht. Wissenschaftler haben jüngst eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass die Formel „Mehr schießen, weniger Wild, weniger Wildschaden“ nicht funktioniert (2).

Eine aktive Umwandlung von Reinbeständen in naturnahe Wälder geht nur mit intensiven Pflege- und Schutzmaßnahmen. Ähnlich wie die Rose im heimischen Garten muss der junge Baum im Wald vor schnell wachsenden, konkurrenzstarken Pflanzen wie Brombeere oder Adlerfarn geschützt werden. Schnellwüchsige Baumarten wie Fichte verdrängen zudem ohne entsprechende Pflegeeingriffe förderungswürdige Baumarten wie Eiche oder Weißtanne.

Die Jäger sehen sich als Partner von Förstern und Waldbesitzern: Besonders dort, wo nach Schadereignissen jetzt junge Bäume gepflanzt werden, muss schwerpunktmäßig und intensiv gejagt werden. Der Schutz vieler Jungbäume, vor allem von neuen und selteneren Arten im Bestand, ist allerdings trotz Jagd notwendig.
 

Wie groß ist die Schadfläche durch Trockenheit, Feuer und Schädlinge? Und was muss dort jetzt passieren?

Nach Experten-Angaben haben Dürre, Schädlinge und Feuer in den vergangenen zwei Jahren eine Waldfläche von schätzungsweise 250.000 Hektar vernichtet. Das entspricht der Fläche des Saarlandes. Betroffen sind vielerorts Fichtenreinbestände, etwa im Harz. Ohne menschliche Eingriffe entstehen dort durch Naturverjüngung auch wieder Fichtenwälder. Notwendig sind Initial- und Ergänzungspflanzungen, um den Umbau hin zu klimastabilen Mischwäldern einzuleiten. Auch müssen noch gesunde Nadelholzreinbestände mit Laubbäumen unterbaut werden. Nach Schätzungen von Forstexperten müssen aufgrund der aktuten Waldschäden mindestens eine Milliarde Bäume ausgebracht werden. Damit ist es nicht getan: in vielen Fällen müssen die Jungpflanzen mindestens zweimal jährlich über mehrere Jahre hinweg gepflegt werden.
 

Welche Rolle spielen Pflanzenfresser für die Artenvielfalt?

Zahlreiche Studien belegen, dass große Pflanzenfresser wie Rot-, Dam- oder Rehwild durch ihre Fraßtätigkeit einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt haben. Auf entstehenden Freiflächen finden seltene Schmetterlinge, Käfer, Wirbeltiere und seltener Pflanzenarten Lebensraum. In einem Schweizer Nationalpark erhöhte sich beispielsweise die Pflanzenvielfalt in 30 Jahren um 250 Prozent. Paarhufer wie Reh, Hirsch und Waldschwein transportieren zudem Pflanzensamen im Fell oder scheiden sie durch Kot aus. Bis zu 44 Prozent der lokal vorhandenen Pflanzenarten werden so durch Wildtiere verbreitet (4).
 

Wie sieht ein klimastabiler Wald aus Sicht der Jäger aus?

Jäger fordern Mut zur Lücke: Wald besteht aus vielen Entwicklungsstadien: Dazu gehören temporär offene Flächen, entstanden durch Windwurf, Feuer oder Holzernte.  Auf diesen Freiflächen wachsen zunächst Kräuter, Gräser und später Büsche. Das ist Nahrung für viele Wildtiere. Der Fraßdruck auf benachbarte Bäume sinkt. Neben den Aufforstungsflächen muss es deshalb ein integriertes Konzept von temporären und dauerhaft angelegten Nahrungsflächen für Wildtiere geben.

Inwieweit sich unsere Wälder steigenden Temperaturen und Trockenperioden tatsächlich anpassen können, ist unmöglich vorherzusagen. Entscheidend wird sein, dass es in Waldbeständen künftig vielfältigere, den jeweiligen Standorten angepasste Baumarten gibt. Der erwartete maximale Holzertrag darf nicht das alleinige Kriterium sein. Laubholzreiche Mischwälder werden die Waldbaukonzepte prägen. Eine breite Altersstruktur im Waldbestand fördert zudem die Stabilität gegen Stürme und verhindert plötzliche flächige Waldverluste, etwa durch Borkenkäfer. Zur Strukturvielfalt gehört auch eine verstärkte Entwicklung von Kraut- und Strauchschicht.
 

Ist eine verstärkte Jagd auf Rehe und Hirsche als Pauschalforderung zielführend?

Von 1970 bis 2014 hat sich in Mitteleuropa die Zahl der erlegten Paarhufer (Reh, Wildschwein und Hirsch) verdoppelt, haben Wissenschaftler ermittelt (1). Auf der Grundlage staatlich festgelegter und mit den Grundeigentümern abgestimmter Abschusspläne wurden im vergangenen Jagdjahr allein in Deutschland 1,2 Millionen Rehe und 77.000 Rothirsche erlegt. Bezogen auf den Waldumbau zeigt sich, dass die Jagd sehr wichtig ist, aber durch Streckensteigerung alleine keine Lösung herbeigeführt werden kann. 

Voraussetzung für eine nachhaltige Problemlösung im Forst-Jagd-Konflikt ist eine gemeinsame lokale Situationanalyse von Waldbesitzzern, Förstern und Jäger, die alle Faktoren einbezieht und sich nicht nur auf eine Steigerung der Abschusshöhe konzentriert. Im Konzept der Schalenwildsteuerung mit dem Ziel der Schadensverhütung müssen jagdliche und waldbauliche Maßnahmen aufeinander und miteinander abgestimmt durchgeführt werden. 
        

Welche weiteren Maßnahmen sind zielführend, um Wildschäden zu vermeiden?

Wälder werden zunehmend als Kulisse für Freizeitaktivitäten genutzt. Störungen behindern die Wildtiere bei ihrer natürlichen Nahrungsaufnahme und -verdauung. Störungen können Flucht und damit Energieverluste im Körper verursachen, die wiederum eine vermehrte Nahrungsgaufnahme erfordern. Erhöhte Wildschäden durch ungelenkten Freizeitsport und rücksichtsloses Verhalten der Waldbesucher können die Folge sein. Hier gilt es, die Waldbesucher in ihrem Verhalten entsprechend zu lenken und damit Störungen der Wildtiere zu minimieren. Wildruhezonen sind eine Möglichkeit: Das freie Betretungsrecht des Waldes bei Tag und Nacht muss besonders in sensiblen Bereichen eingeschränkt werden. Ein Wegegebot beeinträchtigt nicht die Erholungsfunktion des Waldes für den Menschen. Eine Leinenpflicht für Hunde muss im Wald selbstverständlich sein. Ziel sind störungsarme Rückzugsräume für Wildtiere.
 

Ist jede verbissene Knospe gleich ein Wildschaden?

Nicht jeder durch Wildtiere verbissene oder vom Rehbock gefegte Jungbaum ist zwangsläufig ein Schaden für die Waldentwicklung. Bei schnellwüchsigen Gehölzen (z.B. Eberesche, Aspe, Holunder) oder bestimmten Begleitbaumarten (z.B. Esche, Buche in Mischkulturen) kann sich mäßiger Verbiss sogar positiv auf die Jungwuchsstruktur auswirken. Die Wirtschaftsbaumarten haben dann weniger Standraumkonkurrenz und werden zudem wenig verbissen wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Entscheidend für einen erfolgreichen Waldumbau ist nicht die Anzahl der geschädigten Bäume, sondern ob genug junge Bäume der Zielbaumart übrig bleiben, um das waldbauliche Ziel zu erreichen. In Naturverjüngungen kommen mehr Pflanzen vor, als zum Erreichen des waldbaulichen Ziels nötig wäre. Nur ein geringer Prozentsatz der Keimlinge erreicht das spätere Nutzungsalter. Ein Großteil der Jungbäume unterliegt der natürlichen Sterblichkeit (Lichtmangel, Konkurrenz, Insekten- und Pilzbefall und letztlich auch Wildeiunfluss). Nicht jeder Verbiss oder Pflanzenschaden entsteht durch Schalenwild: Studien belegen, dass neben Reh und Hirsch auch Arten wie Wildschwein, Eichhörnchen, Feldhase oder Rötelmaus (neuerdings auch Biber) einen hohen Anteil am Verlust von Forstpflanzen haben können (5).
 

Quellen:

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Frage-und-Antwort-Papier Wald und Klimawandel (Stand: September 2019)

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