(Quelle: Kauer/DJV)

Fragen und Antworten zu den möglichen Konsequenzen des EGMR-Urteils

28. Juni 2012 (djv) Berlin
Aktuelle Rechtslage gilt vorerst weiter

Jägerinnen und Jäger haben auf Facebook und per Mail Fragen zum EGMR-Urteil gestellt. Hier antwortet der Verband.

Welche Auswirkung hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf das Bundesjagdgesetz? Darf das Urteil als „Rüge“ verstanden werden oder ist die Bundesrepublik zum Handeln verpflichtet?

Das Urteil vom 26. Juni stellt lediglich fest, dass in dem konkreten Einzelfall (Herrmann gegen Deutschland) die Menschenrechtskonvention verletzt wurde. Damit ist die geltende Gesetzeslage nicht ungültig. Das Urteil hat zudem keinen direkt rechtsändernden Charakter. Allerdings ist der Gesetzgeber aufgefordert, eine Regelung zu schaffen, die die Verletzung des Grundrechts, wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bemängelt, beseitigt. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen erheblichen Gestaltungsspielraum.

Darf jetzt jeder selbst entscheiden, ob auf seinen Flächen gejagt werden darf?

Nein. Das ist schon nach der geltenden Rechtslage nicht möglich. Auch in der zu erwartenden künftigen Rechtslage wir es keinen Automatismus geben.

Gilt dies nur für Grundstücksbesitzer mit weniger als 75 Hektar Land?

Das Urteil bezieht sich auf die Situation eines Jagdgenossen, also eines Grundstücksbesitzers mit weniger als 75 Hektar Land.

Ändert sich etwas für die Eigenjagden?

Aus dem Urteil unmittelbar ergibt sich für Eigenjagden keine Änderung. Inwiefern es Auswirkungen haben wird, kann jetzt noch nicht gesagt werden. Die Situation ist in vieler Hinsicht nicht vergleichbar.

Wer übernimmt die Wildschäden auf den Flächen? Wer übernimmt Wildschäden auf angrenzenden Flächen, wenn die jagdlich stillgelegten Flächen Einstände für das Wildschaden verursachende Wild bieten?

Auch diese Fragen sind noch nicht geklärt. Es kommt darauf an, wie das Urteil letztlich umgesetzt wird. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass jemand, der die Jagd auf seinem Grundstück nicht duldet, keinen Anspruch auf Wildschadensersatz hat. Darüber hinaus muss unserer Ansicht nach für den Wildschaden an den umliegenden Flächen Mithaftung bestehen– und zwar überproportional.

Wird die stillgelegte Fläche aus der Jagdpacht rausgerechnet (wenn sie ursprünglich mit bejagt werden durfte)?

Für die Fläche wird keine Jagdpacht bezahlt werden müssen. Allerding sollte sie weiter – ähnlich wie bei einem befriedeten Bezirk – zum Jagdbezirk gehören.

Könnte die Jagdpacht auf angrenzenden Flächen sinken?

Das ist möglich, wenn der Jagdwert sinkt.

Wer übernimmt die Fallwildentsorgung wenn es sich um private Flächen handelt, die inmitten oder entlang von verkehrstechnischer Infrastruktur liegen?

Die Fallwildentsorgung wurde von den Jagdausübungsberechtigten bisher freiwillig übernommen. An sich ist der Träger der Straßenbaulast – in der Regel die Gemeinde, der Landkreis oder das Land – zur Beseitigung verpflichtet. Dies gilt dann auch für die betroffenen jagdfreien Flächen.

Was passiert mit Wildfolge bei angeschweißten Tieren?

Allein aus dem Tierschutzgedanken heraus muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass weiterhin eine Wildfolge möglich ist. Auch die Verwertung des Wildbrets durch den Jagdausübungsberechtigten sollte sichergestellt sein.

Was passiert mit der Hege auf stillgelegten Flächen? Wie steht es um Fütterungen in Notzeiten, Rettung der Kitze bei Wiesenmahd, Angelegen von Suhlen, Salzlecken, Brutkästen etc.?

All dies wäre wohl nicht möglich, beziehungsweise nur so weit wie es bislang in befriedeten Bezirken auch geregelt ist.

Gilt das Urteil auch umgekehrt? Also könnte ein Jäger auch sagen, er bejagt Flächen von bestimmten Eigentümern nicht?

Nein, beziehungsweise nur so weit er das jetzt auch schon kann, zum Beispiel als Teil einer Wildruhezone im Revier.