(Quelle: Kauer/DJV)

„Männer halten drauf, schießen, zack, fertig - Frauen denken zu viel.“

8. September 2015 (DJV) Berlin

Als selbständige Bauunternehmerin reißt Carmen Wilshusen (40) Häuser ein. In ihrer Freizeit zerlegt sie Tontauben und stanzt Löcher in Schießscheiben. Jetzt hat sie auf den Bundesmeisterschaften im jagdlichen Schießen den Damenrekord pulverisiert und sich auf den zweiten Platz im Gesamtklassement geschoben. Destruktive Ader? - Weit gefehlt. Die Niedersächsin im DJV-Interview.

Siegerehrung 2015 Carmen Wilshusen
Siegerehrung 2015 Carmen Wilshusen (Quelle: Hunger/DJV)

DJV: Herzlichen Glückwunsch Frau Wilshusen! Mit 341 von 350 Punkten haben Sie beim jagdlichen Schießen nicht nur etwas für uns völlig Unvorstellbares geleistet, Sie sind auch als erste Frau in die Sphären der Männerergebnisse vorgestoßen. Wie fühlt sich das an?

Wilshusen: Super! Ich habe es noch gar nicht realisiert und es läuft noch wie im Film ab. 341 Punkte sind mehr, als ich mir je vorgestellt habe. Normalerweise liege ich im Schnitt bei unter 300 Punkten über 340 habe ich noch nie geschossen. 

Gab es dafür im Vorfeld Anzeichen?

Das ist eine witzige Geschichte: Ich bin im Juli 40 geworden. Zur Feier waren auch die Freunde aus dem Niedersachsen-Kader eingeladen, die mir aus Styropor eine Dartwand gebastelt hatten, auf die Tauben aus Papier gepinnt waren. Auf der Rückseite der Tauben standen ganz verschiedene Geschenk-Wünsche, wie zum Beispiel „Eis essen in Freiburg / Bremgarten“. Auf einer stand „Groß-Gold-Sonderstufe III in Freiburg / Bremgarten“. Und auf einmal ist das auch wahr geworden.  

Ihre Leistung stand bis zum Schluss ganz oben, dann ist Christian Beitsch als einziger Mann vorbei gezogen. Wie war das?

Mir war nicht bewusst, dass die Latte so hoch war. Unser LJN-Geschäftsführer meinte zu mir ‚Mensch, die Jungs fangen das Zittern an, Mädchen‘, aber in Niedersachsen haben wir Top-Schützen und die Elite in der offenen Klasse kam ja erst noch. Für Christian habe ich mich total gefreut. Er ist wie Claus Schäfer, der Drittplatzierte, auch im Bundeskader und wir kennen uns schon lange.

Mit Ihrer Leistung haben Sie gezeigt, dass Frauen bei einem Konzentrationssport wie dem Schießen gleiche Leistungen wie Männer bringen können. Was machen dann aber Frauen so anders? Im Ergebnisdurchschnitt liegen diese ja doch immer zwanzig bis dreißig Punkte hinter den Männern.

So weit ist das nicht, aber ich glaube tatsächlich, dass Frauen zu viel denken. Männer können abschalten. Frauen überlegen noch, was sie heute einkaufen oder morgen kochen. Männer halten drauf, schießen, zack, fertig.

Und wie haben Sie’s gemacht?

Ich bin ganz locker ran gegangen und habe mir eben nicht gesagt: ‚Jetzt will ich Deutscher Meister werden‘. Dieses Jahr hab ich gedacht ‚mal über 300 Punkte schießen, wäre nett‘.

Das ist ziemlich tief gestapelt.

Dann kam der Taubendurchgang mit voller Punktzahl, aber selbst dann war das Endergebnis noch unwahrscheinlich. Ich wusste dennoch, mit der einen oder anderen Fahrkarte wäre ich bei 320, das heißt Groß-Gold-Sonderstufe 1. Das war schon aufregend.

Sie haben das Fundament für Gold in der Mannschaftswertung gelegt, wie war da die Stimmung?

Mit den Tauben waren wir zufrieden und die Möglichkeit auf eine Platzierung war da. Deshalb wuchs auch die Anspannung bei der Kugel. Unser Trainer hat gesagt, wir sollen ruhig bleiben.

Ist Ihnen das geglückt?

Ich schieße immer an zweiter Stelle und schaue zwischendurch nicht auf den Monitor, der mir anzeigt, wie ich geschossen habe. Nach dem letzten Schuss, haben mir meine Mädels schon gesagt, dass ich Sonderstufe 3 geschossen habe und wir lagen uns in den Armen. Dann kamen die Freudentränen. So etwas ist einmalig.

Was braucht man für einen solchen Mannschaftserfolg?

Man braucht ein gutes Klima. Im Niedersachsenkader ist kein Zickenkrieg, das sind echte Freundschaften. Wenn eine mal einen schlechten Tag hat, dann kriegt die gleich Wind von vorn, aber wir nehmen das nicht krum. Wer Erfolg haben will, braucht Harmonie im Team. Mit Neidern in der Rotte geht das nicht.

Wie häufig trainieren Sie?

Ich trainiere meistens zwei Mal in der Woche, drei Mal schaffe ich nicht immer. Ich habe aber auch kein anderes Hobby.

Was sagt Ihr Mann dazu?

Der sagt: „Du bist wahnsinnig!“, aber er steht 100 Prozent hinter mir und hat sich für mich sehr gefreut. Ohne Rückhalt in der Familie wäre das auch gar nicht möglich und in meiner Familie fließt jede Menge Jägerblut: Mein Vater schießt jagdlich, mein Opa war Jäger. Irgendwo muss der Vogel ja her kommen.

Schaffen Sie’s dann noch zur Jagd?

Leider eher selten. Es geht am ersten Mai zur Bockjagd, aber das war’s dann meistens auch schon.

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf dem Schießstand sind?

Ich bin selbständig in der Tiefbaubranche, reiße Häuser ab, schachte aus.

Womit schießen Sie?

Meine Flinte ist eine Beretta 682 Gold. Die Büchse ist eine Repetierbüchse Mark Ganske (Waffenschmied aus der Lüneburger Heide) in Kaliber .222 Rem., die Mark I heißt. Da passt alles. Ich schieße .222 Rem., weil die .22 Hornet immer etwas windanfällig ist. Wenn dann im Wettkampf mal Wind ist, dann fängt man mit dem Rechnen an und hat wieder keinen freien Kopf.

Wie gelingt es Ihnen den Kopf frei zu machen?

Man muss die Nerven im Auto lassen. Es muss einem egal sein, was morgen oder übermorgen ist. Beim Schießen zählt das Schießen. Alle anderen Gedanken nützen nichts.

Haben Sie Ziele für 2016?

Mein Ziel habe ich unerwartet am Donnerstag erreicht. Das hatte ich noch nicht mal geträumt. Sonst: gut abschneiden und vielleicht auf den Europameisterschaften nicht Letzte werden. Außerdem weiterhin ein gutes Miteinander mit den Mitschützen.

Haben Sie noch etwas, was Sie loswerden wollen?

Ich möchte Erwin Eichel für die tolle Betreuung danken und Mark Ganske, der mir seit 2010 auch Schießunterricht gegeben hat. Ein ganz herzlicher Dank geht auch an meinen Niedersachsen-Kader.

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